Restaurierung im Tempel von Edfu bringt Inschriften, Farbe und Gold ans Licht
Ägyptische Tempel waren nicht nur farbenfroh – sie erstrahlten auch in gleißendem Gold. Säulen, Tore und Obelisken waren schon zu Beginn der Pharaonenzeit mit Gold überzogen. Meistens handelte es sich dabei um Überzüge aus dickeren, vergoldeten Kupferfolien. Deren Spuren sind heute nur noch als Löcher in den Wänden zu sehen. Direkt aufgebrachte dünne Blattgoldverzierungen hingegen sind wegen ihrer hohen Empfindlichkeit bislang nur selten dokumentiert. Nun aber wurden im Tempel von Edfu im südlichen Ägypten an zahlreichen Stellen in den höheren Wandbereichen Überreste dieser Art von Vergoldung entdeckt.
Im Tempel von Edfu, der dem Falkengott Horus geweiht war, erforscht ein Team der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer die ehemals farbige Bemalung der Steinreliefs. Die Reliefs und Malereien wurden von einem ägyptischen Restauratorenteam unter der Leitung von Ahmed Abdel Naby gereinigt und gefestigt. Finanziert wurden die Arbeiten von der Gerda Henkel Stiftung.
"Die Vergoldung der Figuren diente vermutlich nicht nur dazu, sie symbolisch zu verewigen und zu vergöttern, sondern trug auch zur mystischen Aura des Raumes bei. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein, vor allem, wenn das Sonnenlicht hineinschien", sagt Dr. Victoria Altmann-Wendling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am JMU-Lehrstuhl für Ägyptologie und Projektleiterin im Horus-Beḥedety-Projekt.
Das Restauratorenteam hat die Sandsteinreliefs im Edfu-Tempel von Staub, Vogelkot und anderen Ablagerungen wie Ruß befreit. Dabei legte es die Reste der Bemalung frei, die einst die gesamten Reliefs bedeckte. In den meisten altägyptischen Tempeln sind die Malereien gar nicht oder nur in wenigen (Innen-)Bereichen erhalten. Die Arbeiten im Barkenheiligtum des Tempels wurden im Frühjahr 2024 abgeschlossen. Weitere Analysen der Pigmente und der Vergoldung sind geplant.
Die mehrfarbigen Malereien liefern weitere Details der Szenen und Hieroglyphen, die im Relief allein nicht zu erkennen waren, zum Beispiel Elemente der Kleidung oder der Opfergaben. Die altägyptischen Handwerker verwendeten die Farbe auch, um die in Stein gemeißelten Hieroglyphen zu korrigieren: "In der Malerei wird hier ein antikes Qualitätsmanagement sichtbar", sagt Professor Martin A. Stadler, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Ägyptologie und des Horus-Beḥedety-Projekts. "Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Götter komplett vergoldet waren. Das finden wir auch in den Textquellen, die Gold als Fleisch der Götter beschreiben", ergänzt Victoria Altmann-Wendling.
Ein weiteres Ergebnis ist der Fund von Dipinti – das sind mit Tinte geschriebene Graffiti – in demotischer Schrift. Diese sind ein direktes Zeugnis der Priester beim Betreten des Tempels. Solche persönlichen Inschriften sind vor allem aus äußeren Tempelbereichen oder Türöffnungen bekannt, aber nicht aus dem Heiligtum oder dem "Allerheiligsten" selbst, wo sich die Barke und die Statue des verehrten Gottes befanden.
Die an Horus gerichteten Gebete, sogenannte Proskynemata, geben somit neue Einblicke in die "Raumbiographie" des Tempels sowie in die Glaubensvorstellungen und Kultpraktiken der Priester.
Der Horus-Tempel von Edfu ist nicht nur das am besten erhaltene Heiligtum Ägyptens, sondern auch ein Wunderwerk der antiken Baukunst. Er ist 137 Meter lang und 15 Meter breit, am Pylon 76 Meter breit und 35 Meter hoch.
Mit diesen gewaltigen Ausmaßen und seinen vollständig mit Inschriften und Bildreliefs bedeckten Wandflächen ist er ein einzigartiges Monument der antiken Religion und Architektur. Er wurde zwischen 237 und 57 vor Christus unter der Herrschaft der Könige Ptolemaios III. bis XII. erbaut und dekoriert. Er enthält mehr religiöse Texte und Ritualszenen als fast jeder andere ägyptische Tempel. Die Texttradition geht bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurück.
Das hauptsächlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Horus-Beḥedety-Projekt läuft seit 2016. Es widmet sich der digitalen Dokumentation des Bauwerks sowie der Erstellung einer neuen epigraphischen Edition und kommentierter Übersetzungen der Texte des Tempels. Darüber hinaus werden derzeit die Inschriften, die räumlichen Funktionen und die kultische Praxis im Zusammenhang mit dem Tempel analysiert. Das Teilprojekt von Dr. Victoria Altmann-Wendling untersucht die beiden zentralen Räume, das Barkenheiligtum und den dahinter liegenden Raum namens Mesenit.