Ältestes menschliches Begräbnis in Afrika

Die rund 78.000 Jahre alte Grabstätte wurde in der kenianischen Höhle Panga ya Saidi entdeckt

Ein internationales Forschungsteam berichtet in einer aktuellen Studie über die früheste Bestattung eines modernen Menschen in Afrika. Das zweieinhalb- bis dreijährige Kind wurde vor rund 78.000 Jahren in gebückter Haltung in einem flachen Grab direkt unter dem schützenden Felsüberhang am Eingang der Höhle begraben. Die Bestattung in Panga ya Saidi reiht sich ein in die wachsende Zahl an Hinweisen auf frühe komplexe soziale Verhaltensweisen von Homo sapiens.

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Rekonstruktion der ältesten Bestattung Afrikas
Virtuelle Rekonstruktion der Homininreste von Panga ya Saidi am Fundort (links) und Rekonstruktion der ursprünglichen Position des Kindes zum Zeitpunkt des Fundes (rechts). Grafik © Jorge González/Elena Santos

Obwohl auf dem afrikanischen Kontinent die frühesten Hinweise auf die Lebensweise von Homo sapiens gefunden wurden, sind Belege für frühe Bestattungen in Afrika sehr selten und oft nicht eindeutig. Daher ist nur wenig über den Ursprung und die Entwicklung der solcher Praktiken auf dem Kontinent bekannt, auf dem unsere Spezies entstand. Der Fund eines Kinderskelettes, das vor 78.000 Jahren am Eingang der Panga ya Saidi-Höhle begraben wurde, ändert das nun und gibt Aufschluss darüber, wie die Menschen in der afrikanischen Mittleren Steinzeit mit ihren Toten umgingen.

Seit 2010 die Ausgrabungen im Rahmen einer langfristigen Partnerschaft zwischen Archäologen und Archäologinnen des Jenaer des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der Nationalmuseen von Kenia (Nairobi) begannen, ist die Höhle Panga ya Saidi nahe der kenianischen Küste ein wichtiger Ort für die Erforschung der menschlichen Ursprünge.

»Als wir Panga ya Saidi zum ersten Mal besuchten, wussten wir sofort, dass diese Stätte etwas ganz Besonderes ist«, sagt Professor Nicole Boivin, Leiterin des Projekts und Direktorin der Abteilung für Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. »Die Stätte ist wirklich einzigartig. Wiederholte Ausgrabungen in Panga ya Saidi haben mittlerweile dazu beigetragen, sie als Schlüsselstätte für die ostafrikanische Küste zu etablieren, mit einer außergewöhnlichen, einen Zeitraum von 78.000 Jahren umfassenden archäologischen Aufzeichnung von frühen menschlichen kulturellen, technologischen und symbolischen Aktivitäten.«

Teile der Knochen des Kindes wurden erstmals 2013 bei Ausgrabungen in Panga ya Saidi entdeckt, aber erst 2017 wurde die kleine Grube mit den Knochen vollständig freigelegt. Etwa drei Meter unterhalb des heutigen Bodens der Höhle gelegen enthielt die flache, kreisförmige Grube eng zusammengedrängte, stark zersetzte Knochen, die vor Ort stabilisiert und mit Gips ummantelt werden mussten. »Zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht sicher, was wir gefunden hatten. Und die Knochen waren einfach zu empfindlich, um sie vor Ort zu untersuchen«, erklärt Dr. Emmanuel Ndiema von den Nationalmuseen von Kenia. »Wir hatten also einen Fund, den wir ziemlich aufregend fanden – aber es dauerte noch eine Weile bis wir seine volle Bedeutung bestimmen konnten.«

Nach dem Sichern der Knochenreste gegen weitere Beschädigungen wurden der Sedimentblock mit den Überresten zunächst in das Nationalmuseum in Nairobi und später zur weiteren Ausgrabung, Spezialbehandlung und Analyse in die Labore des Nationalen Forschungszentrums für menschliche Evolution (CENIEH) in Burgos, Spanien, gebracht.

Zähne gaben Hinweise auf ein Kind

Zwei Zähne, die zu Beginn der Arbeiten im Labor freigelegt wurden, legten die Vermutung nahe, dass es sich um menschliche Überreste handelt. Spätere Arbeiten am CENIEH bestätigten, dass die Zähne zu einem zweieinhalb- bis dreijährigen menschlichen Kind gehörten, das später den Spitznamen »Mtoto« erhielt, was auf Suaheli »Kind« bedeutet.

In monatelanger, akribischer Arbeit in den Labors des CENIEH wurden spektakuläre neue Entdeckungen gemacht. »Wir begannen, Teile des Schädels und des Gesichts freizulegen, einschließlich des Unterkiefers mit einigen nicht durchgebrochenen Zähnen und der Verbindung zum Oberkiefer«, erzählt Professor María Martinón-Torres, Direktorin am CENIEH. »Auch die Verbindung zwischen Wirbelsäule und einigen Rippen, ja sogar die Krümmung des Brustkorbs waren auf wundersame Weise erhalten. Das alles deutet darauf hin, dass der Körper unversehrt bestattet wurde und die Verwesung direkt in der Grube stattfand, in der die Knochen gefunden wurden.«

Die mikroskopische Analyse der Knochen und des sie umgebenden Erdreichs bestätigte, dass der Körper unmittelbar nach der Bestattung mit Erde bedeckt wurde und er in der Grube verweste. Das sind klare Hinweise darauf, dass Mtoto kurz nach seinem Tod und bewusst bestattet wurde.

Da Mtotos Körper auf der rechten Seite liegend und mit zur Brust gezogenen Knien gefunden wurde, geht das Forschungsteam zudem davon aus, dass das Begräbnis sorgfältig vorbereitet und der Körper hierfür eng umhüllt wurde. Martinón-Torres ergänzt: »Noch bemerkenswerter ist, dass die Position des Kopfes in der Grube darauf hindeutet, dass er auf einer Unterlage gelegen haben könnte, zum Beispiel auf einem Kissen. Vermutlich hat die Gemeinschaft irgendeine Form von Bestattungsritus durchgeführt.«

Bestattungen bei modernen Menschen und Neandertalern

Die Lumineszenz-Datierung datiert das Alter der Bestattung von Mtoto sicher auf 78.000 Jahre. Damit handelt es sich um die älteste bekannte Bestattung eines Menschen in Afrika. Spätere Bestattungen aus der Steinzeit Afrikas enthalten ebenfalls junge Individuen - vielleicht ein Hinweis, dass der Körper von Kindern zu dieser Zeit besonders behandelt wurde.

Die archäologischen Schichten, in denen die menschlichen Überreste gefunden wurden, enthielten auch Steinwerkzeuge, die der afrikanischen Mittleren Steinzeit zugeordnet werden - einer sehr typischen Technik, die verschiedenen Hominin-Spezies zugeschrieben wird. »Die Verbindung zwischen der Bestattung dieses Kindes und den Werkzeugen der Mittleren Steinzeit hat einen entscheidend Beleg geliefert, dass Homo sapiens, im Gegensatz zu anderen Arten von Homininen, diese markante Technik herstellte«, erklärt Ndiema.

Obwohl die Entdeckung von Panga ya Saidi den frühesten Beweis für eine Bestattung in Afrika darstellt, reichen Bestattungen von Neandertalern und modernen Menschen in Eurasien bis zu 120.000 Jahre zurück und umfassen Erwachsene ebenso wie einen hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen. Die Gründe für das Fehlen von vergleichbar frühen Bestattungen in Afrika bleiben rätselhaft, möglicherweise beruhen sie auf Unterschieden in den Bestattungspraktiken oder dem Mangel an Feldforschung in großen Teilen des afrikanischen Kontinents.

»Die Bestattung von Panga ya Saidi zeigt, dass die Beerdigung der Toten eine kulturelle Praxis ist, die Homo sapiens und Neandertaler gemeinsam haben«, sagt Professor Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. »Dieser Fund wirft Fragen nach dem Ursprung und der Entwicklung von Bestattungspraktiken zwischen zwei eng verwandten menschlichen Arten auf und danach, inwieweit sich unsere Verhaltensweisen und Emotionen voneinander unterscheiden.«

Älteste Bestattung Afrikas
Außenansicht des in der Panga ya Saidi-Höhle geborgenen Hauptblocks mit dem auseinandergebrochenen Teilskelett (oben) und Außenansicht der linken Seite von Mtotos Schädel und Unterkiefer (unten). Foto © Martinón-Torres, et al., 2021
Panga ya Saidi-Höhle
Die Panga ya Saidi-Höhle an der Küste Kenias. In der durch Bohlen abgesicherten Grube im Vordergrund wurde die 78.000 Jahre alte Grabstätte eines Kindes entdeckt. Foto © Mohammad Javad Shoaee
Publikation

María Martinón-Torres, Francesco d’Errico, Elena Santos et al.

Earliest Known Human Burial in Africa

Nature. 05.05.2021
DOI: 10.1038/s41586-021-03457-8
https://www.nature.com/articles/s41586-0...

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