Leo Verhart: Den Kelten auf der Spur
Schon der Untertitel macht neugierig: Kelten auch an der Nordsee? Nachdem Keltenausstellungen der letzten 15 Jahren die Highlights aus Gräbern und Siedlungen zum Thema hatten [1], Kelten sogar bis in die Urnenfelderzeit zurückverfolgt worden sind [2], ist dies ein ganz neuer Aspekt der deutschsprachigen Buch- und Ausstellungslandschaft.
Das Studium von Impressum und Vorwort lüftet bereits etwas den Schleier: der niederländische Archäologe Leo Verhart hat das Buch unter dem Titel Op zoek naar de Kelten 2006 veröffentlicht, das Buch wurde in Hinblick auf die bis 03.08.2008 gezeigte Ausstellung „Das Geheimnis der Kelten“ im Museum Burg Linn Krefeld [3] vom Archäologen Patrick Jülich aus dem Niederländischen übersetzt. Daraus enstanden ist der sehr schön gestaltete und fast durchgehend farbig bebilderte Band mit insgesamt 208 Seiten.
Vorwort/Geleit/Einleitung (S. 7 - 15)
Zuerst wird kurz der geographisch-topographische Rahmen gesteckt. Hier wird auch bereits angedeutet, dass die eigentliche Kernfrage des Autors ist, ob das Gebiet zwischen Nordsee und Rhein – hauptsächlich geht es um die Niederlande – überhaupt von Kelten besiedelt war bzw. die Einwohner als solche angesprochen werden können (S. 8).
In der Einleitung werden Kelten kurz mit den antiken Stereotypen der unerschrockenen, trinkfesten und unberechenbaren Barbaren charakterisiert (S. 11). Als einleitendes Bild wurde ein großformatiges Photo einer Gruppe junger „Gothics“ gewählt, einer heutigen Dark-Wave-Gruppierung (S. 10). Der/die Betrachtende fragt sich allerdings, wo denn hier – wie in der Abbildungsunterschrift zu lesen – wie auch in der Gothic-Szene selbst „keltische Anleihen“ zu erkennen sind. Auf einer Karte (S. 12) wird neben „keltischer Kultur“ (gemeint ist die Ausbreitung von Kelten bzw. keltischer Kultur in der Latènezeit) und „Hallstattkultur“ auch ein „Zentrum keltische Kultur“ definiert, ein etwa 300 x 100 km großes Gebiet, das in etwa knapp unterhalb des Hohenaspergs im Norden, La Tène im Süden und Heuneburg im Osten liegen soll. Abgesehen davon, dass hier der Terminus „Kultur“ unglücklich gewählt ist – in der Bildunterschrift wird ausdrücklich auf die zeitliche Komponente verwiesen – fragt man sich unwillkürlich, was genau dieses hervorgehobene „keltische Zentrum“ impliziert und wie es definiert ist. Auch ist es in Hinblick auf die Keltendiskussion außerhalb des archäologischen Fachbereichs eher unglücklich, in der Karte S. 12 wie im Text S. 14 auch die britischen Inseln als ’keltisches Traditionsland’ darzustellen.
Zum Schluss werden wir nochmals mit den Hauptfragen des Autors konfrontiert (S. 15): „Wer sind die Kelten eigentlich, dass wir soviel Bewunderung für sie aufbringen? Wo wohnten sie, wie lebten sie und welche Rolle spielten sie? Wohnten an Schelde, Maas und Niederrhein auch Kelten, und wenn nicht, wer wohnte dort? Warum blieb von der keltischen Vergangenheit so wenig bewahrt, obwohl auf der anderen Seite momentan soviel davon entlehnt wird? Begeben wir uns auf die Suche nach Antworten“.
1. Die Kelten in Europa (S. 16 - 47)
Eines bereits vorweg: das 32-seitige Kapitel zu den „Kelten in Europa“ sollten Fachleute wie Laien getrost überspringen. Zu viele fachliche ebenso wie übersetzungstechnische Schnitzer sind hier, zudem in äußerst unstrukturierter Form, vorhanden. Nur ein paar seien im Folgenden herausgestellt.
Eingeleitet wird das Kapitel mit einem Bild der Funde aus Reinheim um 400 v. Chr. („Schenkkanne, zwei Schalen und zwei mit Goldblech verzierte Trinkhörner“) zu einem Text, der mit der späten Bronzezeit (ca. 1200 v. Chr.), also der Urnenfelderzeit beginnt. Hier sind wir bereits bei einem, wenn nicht sogar dem Hauptkritikpunkt, der das gesamte Buch betrifft. Zum einen sind die Bilder nicht nummeriert und damit auch keine Verweise innerhalb des Textes zu finden, zum zweiten sind die Bilder in den jeweiligen Abbildungsunterschriften nicht ausreichend beschrieben: ein Name des Fundortes ohne Datierungsangabe und gegebenenfalls Angabe des Landes reicht beileibe nicht aus, besonders nicht in einem Buch, das sich an interessierte Nicht-Fachleute wendet. Oder wissen die LeserInnen eines archäologischen Buches über die Niederlande, dass Kuffarn (Situla von Kuffarn: Abb. S. 21) in Niederösterreich liegt? Der dritte, vielleicht besonders für Laien schwerwiegendste Kritikpunkt, betrifft die nicht in den Abbildungsunterschriften (und meist nicht im Text) angegebenen Datierungen. Da die Bilder oft nicht an der Stelle gezeigt werden, an denen sie im Text besprochen werden, können schnell falsche Datierungseindrücke entstehen – siehe oben das Beispiel Reinheim.
Zu kleineren, offensichtlichen Übersetzungsfehlern (siehe unten) gesellen sich mindere, manchmal aber auch gravierendere fachliche Schwächen. Beispielsweise wird auf S. 17 impliziert, dass „auch damals“ ein Grund für Körperverbrennung niedrige Kosten waren, was durch experimentelle Archäologie und Berechnungen längst widerlegt wurde. Ohne nähere Erklärungen werden reich ausgestattete Personen ab der Urnenfelderzeit als Fürsten bezeichnet (ab S. 17). Die Entdeckung und Bedeutung von Hallstatt und La Tène, ihre Verknüpfung mit Marzabotto und die Einteilung durch Hans Hildebrand (nicht „Hildebrant“) wird relativ zusammenhanglos erläutert, die für die Interpretation von La Tène wichtigsten Fundobjekte, nämlich die menschlichen Skelettreste, völlig unterschlagen (19f.)
Dass man aus den Grabfunden eine Gesellschaft erschließen kann, „in der Luxus, Genuß und Prunksucht wichtige Elemente darstellten“ (S. 22), in der „eine Elite an der Spitze {{steht}}, die sich mit sehr viel Pracht und Prunk begraben lässt“ (S. 23) etc., ist die eine Sichtweise, aber beileibe nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit. Man denke nur an die ausführliche „Fürsten“-Diskussion in der archäologischen Forschung [4], in der neben dem mittelalterlichen Begriff „Fürst“ mit all seinen Konsequenzen wie Gefolgschaftswesen, Vererbung etc. auch weitere, altersstrukturelle („Dorfältester“) und rituelle („Priesterhäuptling“, „Sakralkönig“) Komponenten für die Deutung der ehemaligen eisenzeitlichen Sozialstruktur eine Rolle spielten. Die Einbringung anderer Vorstellungen hätte dem Buch eine Tiefe gegeben, die diesem ob seines gewählten Themas sehr gut getan hätte.
Zu der bereits erwähnten chronologisch hin- und herspringenden „Ordnung“ passt, dass das Ha D3-zeitliche Grab der Dame von Vix (hier auch noch als „Prinzessin“ bezeichnet) noch vor dem Ha D1-zeitlichen Hoh(e)michele („Hochmichele“ in deutschsprachiger Literatur nicht üblich) und vor dem Ha D2-zeitlichen Fürstengrab von Hochdorf vorgestellt wird.
In den Trinkhörnern von Hochdorf befand sich bei der Auffindung kein Met (S. 27) – wie auch, war von acht Trinkhörnern der organische Hauptkörper doch vergangen, nur die metallenen Manschetten und beinernen Endbeschläge noch vorhanden, und auch das neunte eiserne Trinkhorn zeigte diesbezüglich ebenfalls keine Rückstände. Die bahnbrechenden Ergebnisse der archäologischen Textilforschung [5] mit beispielsweise der Rekonstruktion des verhüllten Inhalts der Grabkammer wurden den LeserInnen leider komplett vorenthalten.
Zwischenüberschriften und Bildunterschriften mit Datierungsangaben hätten hier wie auch in anderen Kapiteln wenigstens strukturierend gewirkt. So folgt, wie oben bereits erwähnt, auf Kurzbeschreibungen von Vix (Ha D3), dem Hohemichele (Ha D1), Hochdorf (Ha D2) und Glauberg (LT A), die Heuneburg (Ha D1-3). Neuere Forschungen untermauerten, dass die Außensiedlung der Heuneburg mindestens gleichzeitig zu datieren ist, auch sind dort durchaus Befestigungsspuren bekannt (zu S. 31). Und die vier großen Grabhügel von Gießübel-Talhau wurden auch nicht in der letzten Heuneburg-Periode 1a (Ha D3) angelegt, wie es der Text impliziert („Die fast städtische Struktur der Anlage wird in der letzten Phase aufgegeben. Dieser radikale Wechsel kann als Hinweis darauf gesehen werden, dass es am Ort eine neue Elite gab. Ein wichtiges Argument hierfür ist, dass in unmittelbarer Nähe … vier große Grabhügel angelegt werden“), sondern bereits um Ha D2 (Hügel, 1, 2 und 4) (S. 31).
Die Verbreitung der hallstattzeitlichen Herrenhöfe ist bisher zum überwiegenden Teil auf Bayern beschränkt; diese rechteckig umgrenzten (Bauern-)Höfe wurden in der Forschung keinesfalls mit Heiligtümern gleichgesetzt – hier hat der Autor wohl die früheisenzeitlichen Rechteckhöfe mit den späteisenzeitlichen Viereckschanzen gleichgesetzt (S. 32).
Dies sind nur ein paar Beispiele für die rein archäologisch überlieferten Perioden. Aber auch bei den historisch angeleuchteten Jahrhunderten wird vom Autor leider keine klare Grenze zwischen archäologischen (Be-)Funden, historischen Überlieferungen und seinen Interpretationen gezogen (besonders ab S. 35); Fakten und Fiktion sind nicht zu trennen (zwei Beispiele von vielen, S. 35: „Die Möglichkeiten eines Anführers, erfolgreiche Raubzüge und Plünderungen zu organisieren, werden zu einem entscheidenden Kriterium seiner gesellschaftlichen Stellung. (…) Hierdurch entsteht eine Gesellschaft, die dauerhaft in Kriegszustand lebt. Jedes Mal, wenn ein Kriegserfolg zu verzeichnen ist, wird Kriegsbeute geopfert und ein großes Fest ausgerichtet.“; S. 37: „In der keltischen Gesellschaft spielt das Fest eine wichtige, das Zusammenleben strukturierende Rolle. Es ist für einen Anführer die Gelegenheit, seinen sozialen Status und sein Prestige zu demonstrieren, aber auch die Chance für andere, seine Macht auf die Probe zu stellen (…) Während solcher Gelegenheiten werden Pläne für Überfälle und Plünderzüge geschmiedet“. etc. etc.).
Eher als Übersetzungsfehler, die sich allerdings teilweise auch durch das ganze Buch ziehen, sind als einige Beispiele unter vielen die Begriffe „Schenkkanne“ (z. B. S. 23, S. 35 etc.) statt „Bronzekanne“ oder „Röhrenkanne“, wie im Beispiel Reinheim S. 17, „scheinbar“ statt „anscheinend“ (S. 17), „Pferdegebisse“ (z. B. S. 22, 60, 62 etc.) statt „Mundstücke“ oder „Trensen“ als Teile des Pferdegeschirrs, ein „exzentrisch gelegenes Grab“ (S. 26) etc. zu beurteilen.
Etwas ungeschickt auch Sätze wie beispielsweise „Auf dem Krater lag Trinkgerät, hierunter eine silberne Schüssel und zwei griechische Keramikgefäße. Es handelt sich um attische Keramik“ (25) oder „Er trug goldenen Schmuck sowie einen Gürtel, Fibeln, Armringe und einen Halsring“ (= Er trug … Schmuck wie…) (27).
2. Wie keltisch waren unsere Landstriche? (S. 48 - 55)
Im Gegensatz zu Kapitel 1 sind die nachfolgenden Kapitel sowohl für Fachleute wie Laien durchaus interessant geschrieben und auch flüssiger zu lesen. In Kapitel 2 geht es um die Frage, wie keltisch das Gebiet zwischen Rhein und Nordsee, besonders die Niederlande („Niedere Lande“) eigentlich war. Hier sind selbst die schriftlichen Quellen wenig erhellend, ist doch beispielsweise unklar, ob es sich bei den Eburonen um Kelten oder Germanen handelt. Linguistische und archäologische Chancen und Probleme werden hier klar erläutert, eine eindeutige Antwort kann aber nicht gegeben werden. Deshalb wird schlussendlich die Eingangsfrage nach der Herkunft der Einwohner umgewandelt: „Die Frage muss daher nicht lauten, ob zwischen Rhein und Nordsee Kelten lebten, sondern wie stark der Einfluss des keltischen Gedankenguts in unseren Gebieten war und zu welchen Kulturveränderungen dieser führte“ (54).
An das Ende von Kapitel 2 geradezu angeklatscht wirkt das Unterkapitel mit dem Titel „Zeitliche Einordnung, Namen und Probleme“. Abgesehen davon, das es sich in Kapitel 1 besser eingefügt hätte, wäre es wichtiger gewesen, statt auf die C14-Methode – die für die heutige Eisenzeitforschung praktisch keine Rolle mehr spielt – ausführlicher auf die Dendrochronologie einzugehen. In der Diskussion um die absolute Datierung hat diese die C14-Methode längst abgelöst, und dürfte gerade in den Niederlanden mit teilweise sensationeller Holzerhaltung auch in Zukunft die entscheidende Rolle spielen.
Eine für das Verständnis der niederländischen Eisenzeit-Chronologie und damit auch des nachfolgenden Buchtextes immens wichtige Abbildung (S. 54) wäre an prominenterer Stelle mit entsprechender Bildunterschrift wünschenswert gewesen.
3. Ein Fuß in der Tür: die Hallstattzeit zwischen Nordsee und Rhein (S. 56 - 71)
Im dritten Buchkapitel werden interessante hallstattzeitliche Fundplätze des Arbeitsgebiets (z.B. Oss, Wijchen, Court-Saint-Etienne, Oberempt) mit guter Bebilderung vorgestellt. Kleine Fehler, die aber auch einer etwas verunglückten Übersetzung zu verdanken sein könnten, sind auch hier wieder vorhanden („Die Urnenfelderkultur lässt sich bis in die frühe Eisenzeit hinein verfolgen“ (S. 57) – „Anlage einer Siedlung für Mobilheime“ (S. 59), „Gebisse“ (s. oben) etc.). Bereits angesprochen wurde die kritiklose Verwendung des Begriffs „Fürst“ (im gesamten Buch nur einmal auf S. 57 durch Anführungszeichen als archäologischer Terminus technicus markiert) sowie der recht saloppe Umgang mit sozialstrukturellen Begrifflichkeiten und Interpretationen, die dem Anschein nach vom Autor von heutigen Zeiten direkt auf die Vergangenheit übertragen werden. (z.B. S. 60 „Das bedeutete, dass der Mann dick war und nicht arbeitete. Eigentlich das stereotype Bild eines Fürsten, wie wir es von Spottbildern und aus Comics kennen“; oder S. 69: „Daneben scheinen sie sich auch als Emporkömmlinge, Neureiche oder Protzer aufzuführen.“ „Zum Imponiergehabe gehört natürlich auch das Trinken“. „Beim Imponiergehabe der lokalen Helden scheint ein durch Pferde gezogener Wagen eine wichtige Rolle gespielt zu haben.“ etc. etc.).
Kleine weitere Anmerkungen: Bei einem „eisernen Dreizack“ mit unbekannter Funktion (S. 63f.) im Grabensemble von Court-Saint-Etienne dürfte es sich um einen Bratspieß handeln. Die Zwischenüberschrift „Der einfache Mann“ (67) ist im heutigen Zeitalter von Gendering nicht mehr wirklich zeitgemäß (Übersetzungsfehler?). Die Verbreitungskarte der massaliotischen Amphoren zum Text auf S. 67 befindet sich auf S. 23 – auch hier: eine Nummerierung der Abbildungen mit entsprechenden Textvermerk wäre ein ungeheurer Gewinn für das Buch gewesen.
4. Kelten zwischen Nordsee und Rhein (S. 72 -113)
Auf über 40 Seiten werden in Kapitel 4 eisenzeitliche Siedlungen und Siedlungsfunde des Arbeitsgebietes vorgestellt und auf ihre möglichen Aussagemöglichkeiten hin abgeklopft. Das heißt, hier geht es um archäologische Fakten; kaum nachprüfbare Behauptungen wie bei den vorherigen Kapiteln zur Sozialstruktur der frühen Eisenzeit sind hier nicht mehr zu finden. Fachleute wie interessierte Laien finden hier einen wahren Fundus an Siedlungsplänen, Grabungsphotos und äußerst ansprechend photographierten Funde. Bis auf ein paar, wohl der Übersetzung geschuldeten Übersetzungsfehlern (z.B. S. 82 „Die eisenzeitlichen Höfe befinden sich hierbei häufig am Fuß der Wurten und sind meist radial angeordnet. Die Höfe lagen auf der sicheren Anhöhe dicht zusammen“; S. 89 „Weiterhin fand man Metallartefakte wie einen Angelhaken und ein Pferdegebiss.“) ist dies das ansprechendste Kapitel, aus dem auch die Fachleute viel Wissenswertes zur eisenzeitlichen, vorwiegend niederländischen Archäologie erfahren können. Wie bereits mehrfach erwähnt, würden relative oder absolute Datierungen im Text und in den Abbildungsunterschriften das positive Bild abrunden.
5. Die Machtübernahme (S. 114 - 143)
Auch wenn der Titel des fünften Kapitels an einen textlichen Schwerpunkt des 1. Jhs. v. Chr. denken lässt, beginnt der Autor mit Höhensiedlungen des 6./5. Jhs. v.Chr., die er in französischer Tradition bereits als Oppida bezeichnet (S. 115). Auch hier müssen die fehlenden Datierungen in Abbildungsunterschrift und Text moniert werden. So wird beispielsweise einer Karte mit den späteisenzeitlichen Oppida des 2./1. Jh. v. Chr. (S. 116) eine Karte mit attischen Importfunden („griechisch-attische schwarzfigurige Keramik“ S. 117) des 6./5. Jhs. v. Chr. (Breisacher Münsterberg hier nicht kartiert) gegenübergestellt.
Nach der Vorstellung von früh- und späteisenzeitlichen Siedlungen auf der Höhe und in der Ebene (wieder Monierung der fehlenden Abbildungsnummerierungen: z. B. Text zu Siedlung Niederzier auf S. 119, Plan auf S. 90; ungeschickt formulierte Textpassagen (oder Übersetzungsfehler?), z. B. S. 121: „Die Funktion dieser Siedlungen ist noch nicht genau bekannt. Sie wurden nicht bewohnt“), geht es unter dem Untertitel „Prahlen mit der Macht“ um die eisenzeitlichen Bestattungen. Den Anfang bildet das frühlatènezeitliche Grab von Eigenbilzen, gefolgt von Gräbern mit Streitwägen wie Nimwegen bis hin zu Depotfunden der späten Eisenzeit. Darauf folgt ein Exkurs zu den ersten Münzen, sinnigerweise unter der Zwischenüberschrift „Handel ohne Geld“. Den direkt daran anschließenden Text hätte eine Zwischenüberschrift à la „Handel und Transport“ auch optisch besser strukturiert.
6. Rituale, Opfer und Rätsel (S. 144 - 169)
In dem sechsten, 34-seitigen Kapitel erfährt der/die LeserIn viel über den heutigen Forschungsstand zu eisenzeitlichen Religionen und Religionsausübungen. Viele gut bebilderte Beispiele von Gräbern, Gräberfeldern und Heiligtümern aus den Niederlanden und angrenzenden Gebieten der frühen bis späten Eisenzeit werden aufgezeigt und interpretiert. Daran anschließend (S. 166 ff.), unter dem Zwischentitel „Eine Gesellschaft im Fokus“, folgen wichtige, aber zum Teil sehr widersprüchliche Aussagen zur Frage einer keltischen Bevölkerung bzw. Identität in den Niederlanden (S. 166: „Die Vorstellung, bei „den Kelten“ habe es sich um lokale Bevölkerungsgruppen gehandelt, die sich verschiedene Gebräuche, Auffassungen und Kulturmerkmale zu Eigen gemacht haben, scheint es zu rechtfertigen, zwischen Nordsee und Rhein von einer „keltischen“ Gesellschaft zu sprechen“ – S. 169: „Im Überbau können wir eine Schicht als keltisch bezeichnen. Blicken wir aber darunter, kommt das eigene, lokale Element zum Vorschein“). Mit dem Autor festzuhalten bleibt, plakativ gesagt, dass keltische Objekte noch keine keltische Identität bestätigen.
7. Besiegt und besetzt (S. 170 - 185)
Das Eingangsbild, ein ganzseitiges Photo von einer in Nimwegen gefundenen Marmorbüste von Julius Caesar, zeigt in Buchkapitel 7 auf, was im Text dann folgt: die Kampfhandlungen Caesars im „Bellum Gallicum“ 58-51. v. Chr. (dazu nützliche Abb. mit Datierung (!) auf S. 173) und dabei die Rolle des Gebiets zwischen Nordsee und Rhein. Besonders Ambiorix, der Anführer der dort ansässigen Eburonen, spielte dort eine große Rolle und wird dementsprechend im Text gewürdigt. Anschließend vergleicht der Autor kritisch die Erwähnungen der bei Tacitus als Germanen bezeichneten Bataver mit den bisher erfolgten archäologischen Forschungen. Nach der kurzen Erläuterung der historischen Quellen werden die archäologischen vorgestellt: Villen, Heiligtümer, Siedlungen und ihre Entwicklung in römischer Zeit. Auch dieses Kapitel ist durchgängig mit zweckdienlichem und interessanten Bildmaterial bebildert.
8. Das keltische Erbe (S. 186 - 197)
Auf wenigen Textseiten werden hier die Nachwirkungen und die Wiederentdeckung „der“ Kelten erläutert. Wie auch in anderweitiger Literatur darf der Hinweis auf die nachrömische Entfaltung keltischer Kunst auf den „isolierten“ britischen Inseln mit Irland nicht fehlen. Wünschenswert wäre es gewesen, deutlich herauszustellen, dass die vereinzelten archäologischen keltischen Inselfunde noch lange kein Hinweis auf eine dort ansässige keltische Bevölkerung sind, wie der Autor es ja methodisch fundiert bereits in den Kapiteln 2 und 6 (ab S. 166) für die Niederlande diskutiert hat.
Der anschließende Anmerkungsapparat (S. 198f.) ist mit zwei Seiten erfreulicherweise äußerst klein gehalten und wird auch nicht zum unmittelbaren Verständnis des Textes benötigt. Für das daraufhin anschließende fünfseitige Literaturverzeichnis (S. 200 - 204) werden zumindest die Fachleute sehr dankbar sein, erschließt sich hier doch eine wunderbare Quelle von in der Hauptsache niederländischer archäologischer Fachliteratur. Danach folgt ein nützlicher Register der Fundorte (S. 206f.).
Fakten und Fazit
Solange der Autor bei den Fakten bleibt, Grabungsplätze und Funde vorstellt, ist vorliegendes Buch recht interessant zu lesen. Die eindeutig aus heutigen Zeiten herausinterpretierten phrasenhaften Ausführungen zur eisenzeitlichen Sozialstruktur werden oft mit historischen und neuzeitlichen Beispielen in Text und Bild (z. B. S. 15, 22, 32, 33, 62) vermeintlich unterfüttert; ein differenzierteres Bild der Vergangenheit hätte leicht skizziert werden können, ohne heute gängige Klischees bedienen zu müssen.
Lässt man jedoch Eingangs- und Ausklangkapitel und bestimmte, wohl teilweise auch Übersetzungsschnitzern geschuldete sprachliche Eigenheiten beiseite, wird man mit einer Fülle von Fakten und äußerst ansprechendem Bildmaterial bedient. Wären dazu die Abbildungen durchnummeriert und im Text darauf Bezug genommen sowie die Abbildungsunterschriften durch Datierungen und gegebenenfalls durch nähere Ortserläuterungen abgerundet, wäre das Buch rundum gelungen.
Wer den „Kelten auf die Spur“ kommen, mehr über antike Quellen und archäologische Forschungen aus fundierter Quelle erfahren möchte, ist mit der einschlägigen Literatur [6] besser bedient als mit vorliegendem Buch. Wer besser zu Akkulturation und Assimilation besonders in den sich anschließenden Jahrhunderten unterrichtet sein möchte, dem sei der Ausstellungsband „Krieg und Frieden“ [7] ans Herz gelegt. Wer aber mehr über „neue archäologische Entdeckungen zwischen Nordsee und Rhein“ in der vorrömischen Eisenzeit erfahren will, ist mit dem Kauf dieses fabelhaft bebilderten und ausgestatteten Buches wahrlich gut beraten.
Fußnoten
Zum Beispiel „Luxusgeschirr keltischer Fürsten. Griechische Keramik nördlich der Alpen“ (Ausstellung in Würzburg 1995) – „Trésors Celtes et Gaulois. Le Rhin supérieur entre 800 et 50 avant J.-C.“ (Ausstellung in Colmar, Freiburg i. Br., Biel und Basel 1996-7) – «Das Rätsel der Kelten vom Glauberg“ (Ausstellung in Frankfurt 2002). ↩
„Das keltische Jahrtausend“ (Ausstellung in Rosenheim 1993). ↩
www.diekelten.de ↩
Zuletzt mit weiterer Literatur: M. K. H. Eggert, Wirtschaft und Gesellschaft im früheisenzeitlichen Mitteleuropa: Überlegungen zum ‚Fürstenphänomen’. Fundberichte aus Baden-Württemberg 29 (2007) 255-302. ↩
J. Banck-Burgess, Hochdorf IV. Die Textilfunde aus dem späthallstattzeitlichen Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf (Kreis Ludwigsburg) und weitere Grabtextilien aus hallstatt- und latènezeitlichen Kulturgruppen. Forsch. u. Ber. Vor- und Frühgesch. Baden-Württemberg 70 (Stuttgart 1999). ↩
z. B.: S. Rieckhoff u. J. Biel (Hrsg.), Die Kelten in Deutschland (Stuttgart 2001). – J. Fries-Knoblach: Die Kelten. 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte (Stuttgart 2002) – M. Kuckenburg, Die Kelten in Mitteleuropa (Stuttgart 2004) – D. Ade/A. Willmy, Die Kelten – Mythos und Wirklichkeit (Stuttgart 2007). ↩
Uelsberg, Gabriele (Hrsg.), Krieg und Frieden. Kelten – Römer – Germanen. (Darmstadt 2007). Siehe dazu auch die Rezension von Claudia Sarge, in: H-Soz-u-Kult, 27.03.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-235>. ↩
Rezension zu
Den Kelten auf der Spur. Neue archäologische Entdeckungen zwischen Nordsee und Rhein
Verhart, Leo
Übersetzung aus dem Niederländischen von Patrick Jülich
208 Seiten mit 145 Farb- und 45 Schwarzweißabbildungen
Mainz: Verlag Philipp von Zabern 2008
ISBN 978-3-8053-3888-2
Preis: 29,90 €