Zwischen Hunger und Überfluss
Essen in der Antike: Vor dem geistigen Auge entstehen sogleich Bilder luxuriöser römischer Gelage, bei denen Flamingozungen, Kraniche und eisgekühlter Wein gereicht wurden. "Bei antiken Festmählern sehen die meisten Menschen Szenen der großen Sandalenfilme Hollywoods aus den 50er und 60er Jahren vor sich: Peter Ustinov, als Kaiser Nero in bunte Gewänder gehüllt, isst von opulent angerichteten Silberplatten, während Harfenspieler und Dichter ihn unterhalten", sagt Dr. Timo Klär. Der Althistoriker und Wissenschaftler am Institut für alte Geschichte der Universität des Saarlandes organisiert gemeinsam mit Forschern der Universität Potsdam eine Tagung über Ernährung in der Antike auf dem Saarbrücker Campus.
"Tatsächlich herrscht gerade über das antike Gastmahl unter Forschern große Uneinigkeit. Man diskutiert über die Ausstattung der Bankettsäle, die Platzordnungen, die eingeladenen Gäste, das Unterhaltungsprogramm bis hin zu den Speisen. Mit Letzterem ist der Aspekt des demonstrativen Konsums verbunden, der sich gerade beim Gastmahl immer wieder konkret zeigt", erläutert Timo Klär.
Doch solch Überfluss war nur einer kleinen Elite vorbehalten. Hunger war in der antiken Welt allgegenwärtig. Dass genug zu essen da war, bestimmte den Alltag der Menschen – und war Chefsache: Nicht umsonst stand und fiel die Beliebtheit römischer Kaiser mit Brot und Spielen. "Es war nie sicher, ob die nächste Ernte ausreicht", erklärt Professor Heinrich Schlange-Schöningen, Lehrstuhl-Inhaber am Institut für Alte Geschichte. Hungersnöte führten zu Unruhen und Revolten. "Deshalb brachten die Römer auf Schiffen Getreide aus Ägypten nach Rom", sagt er.
Lebensmittelknappheit, Essen als sozialer Marker sowie Speisen im religiösen Kontext sind daher weitere Forschungsthemen, mit welchen die Wissenschaftler sich bei der Tagung befassen. "In den letzten Jahren ist das Interesse der Altertumswissenschaften an dem Themengebiet Ernährung stetig angestiegen. Wir betrachten bei der Tagung den antiken Mittelmeerraum von der griechischen Archaik bis in die römische Spätantike", erklärt Timo Klär.
Auch die Lebensmittelversorgung der einfachen Bevölkerung werden die Forscher thematisieren. Hier überrascht so manches Detail: "So wurde Opferfleisch, also Fleisch aus rituellen Schlachtungen, welches die Menschen den Göttern opferten, durchaus später über die Fleischmärkte unter der Bevölkerung verteilt. Zwischen kultischen Handlungen und der konkreten Versorgung besteht also eine unerwartete Verbindung", erläutert Klär. Hieraus ergeben sich weitere offene Fragen: Waren für Konsumenten Opferfleisch und Fleisch aus normaler Schlachtung überhaupt zu unterscheiden? Beeinflusste der Unterschied die Kaufentscheidung? "Von den Antworten hängt unsere Position in der andauernden Forschungsdiskussion ab, ob nicht jede Schlachtung rituellen Charakter hatte oder ob Fleisch auf dem Markt seine religiöse Konnotation verlor", erklärt der Althistoriker.
Auch Randbereiche der Themengebiete Ernährung und Nahrungsmittelversorgung werden die Forscher beleuchten. "Diese weisen auf gesellschaftliche Grundeinstellungen hin. Das gilt besonders für Speisetabus oder das gezielte Durchbrechen von Speiseverboten in Krisenzeiten", sagt Timo Klär.
Die Veranstaltung findet im Graduate Center (Gebäude C9.3) auf dem Campus der Universität des Saarlandes in Saarbrücken statt. Interessierte sind zu allen Vorträgen herzlich willkommen.
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