Wissenschaftler erforschen das jüdische Leben im mittelalterlichen Speyer

Bei einem Vor-Ort-Besuch hat am heutigen Freitag der rheinland-pfälzische Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf die aktuelle Ausgrabung an der südlichen Grenzmauer des Judenhofs in Speyer besucht.

Aktuelle Ausgrabung an der südlichen Grenzmauer des Judenhofs in Speyer (Bild: GDKE)

Auslöser der archäologischen Grabungsmaßnahme sind die Bauarbeiten am benachbarten Bistumsarchiv (ehemalige Pilgerdruckerei). Zusätzlich findet eine bauhistorische Untersuchung der Landesdenkmalpflege statt.  Die untersuchte Mauer umgrenzt nach Süden den inmitten des Viertels gelegenen Judenhof, der mit den beiden Synagogen und der Mikwe das Zentrum des jüdischen Speyer bildete. Diese Monumente bilden aufgrund ihrer außergewöhnlichen Bedeutung einen zentralen Teil des derzeit vorbereiteten Welterbeantrags "SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz". 

So unscheinbar die Mauer zunächst erscheint, wirft sie doch viele Fragen auf. Daher wurde die Grabung an einigen Stellen erweitert und vertieft, da sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Antworten auf grundsätzliche Fragen zum mittelalterlich-jüdischen Speyer erhoffen: Wie tief lag das mittelalterliche Gelände zur Zeit der Erbauung der Mikwe? Reichte das Gelände der Synagoge und der Mikwe weiter nach Süden? Stellt dann diese Mauer eine spätere Verkleinerung des Judenhofs dar?

Tief in der Erde verborgen besitzt die Mauer sechs kleine spitzgeschlossene Nischen. Darunter befindet sich die Spolie eines Wandputzes mit wertvoller Fugenmalerei in Gestalt einer Sockelquaderung, auch zeigen sich aus Backstein gemauerte Bögen. Bis zum pfälzischen Erbfolgekrieg stand hier offenbar ein Wohngebäude, dessen Kellerräume jetzt bei den Grabungen im Bereich des geplanten Fluchttreppenhauses für das Bistumsarchiv entdeckt wurden. Historische Stadtpläne zeigen an dieser Stelle später barocke Gärten – eine Situation, die vermutlich auf die Stadtzerstörung von 1689 und eine anschließende Planierung zurückgeht. Seit der Römerzeit haben sich an dieser Stelle archäologische Schichten von ca. 4 m Mächtigkeit angehäuft. 

Durch den interdisziplinären Ansatz werden die Befunde von verschiedenen Seiten beleuchtet und mit unterschiedlichen Methoden erfasst. So wurde die Mauer photogrammetrisch vermessen, die Befunde gemeinsam bauhistorisch dokumentiert und in Beziehung zu archivalischen Quellen gesetzt. Die aktuell laufenden Forschungen werden sicher nicht alle Fragen beantworten können, zumal die Mauer aus verschieden alten Abschnitten besteht. Es wird aber mit weiteren Untersuchungen versucht, möglichst viele Aspekte der Datierung und Baugeschichte zu klären. 

Die Arbeiten finden in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg und anderen Forschungseinrichtungen statt und werden vom Bauherren, dem Bistum Speyer, in vorbildlicher Weise unterstützt.

Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf stellte bei seinem Besuch fest: "Für die Landesregierung ist der Antrag, die SchUM-Städte zum Welterbe zu erklären, ein kulturpolitisch wichtiges Anliegen. Wir würdigen damit die herausragende Bedeutung, die die mittelalterliche, jüdische Kultur am Rhein weit über Europa hinaus hatte. Für die Erarbeitung des Welterbeantrages 'SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz' mit seinen außergewöhnlichen Ritualbauten liefern die laufenden interdisziplinären Untersuchungen an der Mauer des Judenhofs einen weiteren Baustein zur Erforschung des jüdischen Lebens im mittelalterlichen Speyer und tragen damit zur Präzisierung des Welterbeantrages bei.“ 

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