Wirtschafts- und Kulturaustausch zwischen den Imperien in der Antike im Fokus
»Wir möchten verstehen, wie Wirtschaften und Weltkulturaustausch in alten Imperien und Königreichen funktionieren, was die wirtschaftlichen Systeme des Mittelmeerraums, des indischen Subkontinents und Chinas voneinander unterschied und dann erklären, warum und in welcher Form sie über ihr Einflussgebiet hinaus Güter tauschten«, erklärt von Reden. Die frühe Seidenstraße, die im 1. Jahrhundert nach Christus erstmals geboomt haben soll, als sich Römerinnen mit dem zarten Gewebe aus China schmückten, sei indes ein Mythos: »Sie ist eine Erfindung des Geographen Ferdinand von Richthofen aus dem 19. Jahrhundert. Kein Händler legte die Strecke von Xi'an bis Rom, ob zu Wasser oder zu Land, je zurück.«
Entscheidend dagegen waren differenziertere Strukturen, wobei Handel nur eine von vielen Formen des Austauschs war. Mit den Nomaden an den Grenzen Chinas und Baktriens, des heutigen Afghanistans, wurden viel eher Tribute und Geschenke ausgetauscht als Waren gehandelt. In Grenzregionen stationierte Heere versorgten sich vor Ort und pflegten Kontakte über Grenzen hinweg. Hochmobile Menschengruppen migrierten über weite Strecken. Buddhistische Mönche standen mit Glaubensvertretern über Grenzen in Kontakt und stifteten ihren Tempeln, was den Erwerb fremder Prestigegüter ermöglichte und ein einzigartiges, kulturell hybrides Kunsthandwerk in Gandhara, heute Nordindien und Pakistan, entstehen ließ.
Im Mittelpunkt der Forschung werden »frontier zones« stehen – Grenzregionen also, die geographisch dem Nachbarimperium näher waren als dem Zentrum des eigenen Reiches. Doch seien historische Untersuchungen gerade dort schwierig: »Wir werden mit komplizierten und oft vereinzelten archäologischen Befunden arbeiten, Münzen analysieren und Texte in vielen Sprachen lesen.« Daher sei die Multidisziplinarität der Forschungsgruppe so wichtig. Keine einzelne Wissenschaftlerin und kein einzelner Wissenschaftler könne heutzutage die komplexen Ökonomien entlang der antiken Austauschrouten zwischen dem Mittelmeer, Indien und China überblicken.
Für ihr Projekt erhält die Freiburger Althistorikerin den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). Der Advanced Grant zählt zu den renommiertesten Forschungsförderungen Europas. Der ERC vergibt ihn für Projekte, die einen hohen internationalen Ertrag versprechen, aber auch Risikobereitschaft verlangen.
Warum aber ist das Projekt riskant? Die historische Forschung zur griechisch-römischen Antike ist viel umfangreicher als die zu den Dynastien Qin und Han in China oder zu Indien zur Zeit des Herrschers Ashóka. Seit Jahrzehnten untersuchen Althistoriker und Archäologen in aller Welt die antike mediterrane Wirtschaft. Es gibt eine große antike Geschichtsschreibung auf Griechisch und Latein. Sie berichtet auch über Zentralasien und Indien und hat die nationale Forschung in diesen Ländern ebenfalls beeinflusst. Die Gefahr des Eurozentrismus sei deshalb immens, erklärt von Reden: »Wir könnten eine imperiale Geschichte übernehmen, in der die Griechen nach dem Feldzug Alexander des Großen und dann die Römer in Asien alles veränderten. Gerade das wollen wir vermeiden.«
Sitta von Reden lehrt in Freiburg seit 2010. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Latein in Freiburg und Berlin zog es sie nach England: Sie promovierte in Cambridge und begann ihre akademische Laufbahn in Oxford und Bristol. 2005 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde in Augsburg habilitiert. 2013 und 2014 verbrachte sie am Institute for Advanced Study in Princeton/USA, wo sie das vom ERC geförderte Projekt entwickelte.
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