Weit gereistes Zabur-Schrifttum
Auf dem Gelände der dortigen Ausgrabungsstätte entdeckten einheimische Forscher eine kleine, silberne Tafel sowie einen abgebrochenen Henkel einer Amphora aus dem späten 3. Jahrhundert v. Chr. – beide waren mit Inschriften in Hasaitisch versehen, der Sprache, die vor 2.000 Jahren in der Region gesprochen wurde. Da die Schrift der Objekte nicht den bislang von dort bekannten Buchstabenformen entsprach, wandten sich die Kollegen an Peter Stein, der in den zurückliegenden Jahren intensiv die Schriftkultur des antiken Südarabien erforscht hat. Dank großzügiger Unterstützung durch den Generaldirektor der Archäologiebehörde in Schardscha, Dr. Sabah Jasim, konnten die Inschriften am Original studiert und schließlich erfolgreich entziffert werden.
"Bemerkenswert ist zum einen, in welcher Schrift die Texte geschrieben wurden, nämlih in Zabur. Dieses altsüdarabische Wort bezeichnet das Alltagsschrifttum im antiken Jemen und meint speziell das Ritzen in Holzstäbchen", erklärt Dr. Stein. Während die eingeritzte Schrift des Krughenkels lediglich auf seinen Besitzer verweist, gibt die Silbertafel zum anderen ein weiteres Novum für die Golfregion preis: "Die Tafel ähnelt in Material und Form den Bronzeplaketten, die ebenfalls typisch für Südarabien waren. Dort wurden sie als Weihgeschenke den Göttern dargebracht."
Und auch der nun entschlüsselte Text stellt klar, dass die Tafel in den Besitz Allats übergeben wurde, einer in ganz Arabien verbreiteten Gottheit, "die hier als lokale Hauptgöttin verehrt worden sein könnte", wie Peter Stein vermutet. Ausgehend von Südarabien müssen die eingeritzte Zabur-Schrift und der Brauch, den Göttern metallene Tafeln zu widmen, viele hundert Kilometer zurückgelegt haben, um an der heutigen Fundstelle in der Golfregion heimisch zu werden – vermutlich über den Handel auf der berühmten Weihrauchstraße.
"Spannend an der Weihtafel ist auch die resultierende Erkenntnis, dass es in der Nähe von Mleiha Tempel bzw. Weihstätten gegeben haben muss", so der Jenaer Wissenschaftler. "Bislang wurden allerdings keine Hinweise auf gemauerte Bauten in jener Zeit gefunden. Die permanente Besiedlung des Ortes durch die ursprünglich wohl nomadische Bevölkerung setzt erst etwa 100 bis 200 Jahre später ein." Die Funde beantworten damit zwar einige Fragen, geben jedoch weitere Rätsel auf, die es zu lösen gilt.
Diesen jüngsten Einsichten vorausgegangen war ein Beitrag im selben Fachmagazin, für den Stein gemeinsam mit den Fachkollegen Bruno Overlaet aus Brüssel und Michael Macdonald aus Oxford eine bilinguale Grabinschrift aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. aus Mleiha genauer untersucht hat. In der Verkehrssprache Aramäisch und in Hasaitisch fand sich darauf der Hinweis auf den Beamten eines Königs von Oman. Dieser früheste ausdrückliche Beleg für die Existenz eines Königtums in der Region hat zuletzt nicht nur in der Wissenschaft für Furore gesorgt.
Publikation
Stein, P (2017) South Arabian zabur script in the Gulf: some recent discoveries from Mleiha (Sharjah, UAE),
DOI: 10.1111/aae.12087.
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