Totenhütten und Wagengrab
Bei Magdeburg wird aktuell für den US-Chip-Hersteller Intel eine Ansiedlungsfläche vorbereitet. Seit dem Jahr 2023 untersuchen Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt das Areal. Die Arbeiten werden im April 2024 abgeschlossen sein, Monate bevor der Bau der zunächst zwei Halbleiterwerke beginnt. Nun haben die Untersuchungen noch einmal spektakuläre Ergebnisse geliefert.
Die aktuell beanspruchten 300 ha beziehen auch eine kleine Anhöhe, den Eulenberg, teilweise mit ein. Obschon nicht besonders hoch, gliedert er die ansonsten recht reliefarme Bördelandschaft, deren fruchtbare Löss- und Schwarzerdeböden bereits in der frühen Jungsteinzeit ein wichtiger Standortfaktor für Siedler waren. Das aktuell untersuchte Areal entpuppte sich jedoch insbesondere als hochkomplexe, langgenutzte Begräbnis- und Rituallandschaft.
Während der Baalberger Kultur (4100–3600 v. Chr.) waren in der mittleren Jungsteinzeit im Abstand von nur 200 m zueinander zwei große trapezförmige Totenhütten aus Holz von 20 beziehungsweise 30 Meter Länge errichtet worden. Beide waren zweifelsfrei mit viel Erdmaterial überdeckt gewesen, vermutlich waren sie regelrecht überhügelt und dominierten die Landschaft.
Der dazwischen liegende Korridor war rund tausend Jahre später, während der Zeit der Kugelamphorenkultur (3300–2800 v. Chr.), wohl ein Prozessionsweg. An diesem Weg liegen paarweise Niederlegungen von jungen, 2–3 Jahre alten Rindern. In einem Fall war vor den Rinderbestattungen das Grab eines 35 bis 40 Jahre alten Mannes angelegt worden. Es ergibt sich das Bild eines Fuhrwerks mit Lenker oder auch eines von Rindern gezogenen Pfluges, Inszenierungen, die bereits von anderen älteren und zeitgleichen Bestattungen bekannt sind. Sie versinnbildlichen, dass man den Göttern hier mit den Rindern den wichtigsten Besitz, die Sicherung der eigenen Lebensgrundlage, dargebracht hatte.
Wiederum rund 1.000 Jahre später nahm ein noch 50 cm breiter Palisadengraben den Verlauf der vormaligen Prozessionsstraße auf und bezog den größeren der beiden Grabhügel bewusst in die ca. 3 ha große Bestattungslandschaft ein. Er führte über die Rinderbestattungen hinweg, zerstörte diese jedoch nicht. Zudem wurden in etwa 600 m Entfernung mehrere Grabhügel der Schnurkeramik (etwa 2800-2050 v. Chr.), entdeckt, die Durchmesser von bis zu 10 m aufweisen. Somit zeichnet sich eine erstaunliche Konstanz in der rituellen Nutzung dieses Teils des Eulenbergs ab. Die nun folgende Bearbeitung der Funde verspricht hier noch weitere interessante Einblicke.
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