Schliemanns unwürdige Erben - Greifswalder Universität schließt Klassische Archäologie

Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald wird zum nächsten Wintersemester die frei werdende Professur für Klassische Archäologie nicht wieder besetzen und den entsprechenden Studiengang einstellen.

Damit wird ein in Deutschland vorbildhaftes Modell der klassischen Altertumswissenschaften "unter einem Dach" zerschlagen und die erfolgreiche interdisziplinäre Arbeit des Instituts für Altertumswissenschaften erschüttert. Mecklenburg-Vorpommern verliert damit seine Forschungskapazitäten im Bereich der klassischen Archäologie, da auch an der Rostocker Universität die Archäologie nicht mehr im bekannten Umfang weitergeführt wird.

 

Im Zuge der im Hochschulbereich allgegenwärtigen Finanznot ist auch die Philosophische Fakultät der Greifswalder Universität zu Einsparungen gezwungen. Ein Personalkonzept des Rektors der Universität, Prof. Dr. Rainer Westermann, sieht vor, die mit Berufung des Stelleninhabers, Prof. Dr. Thomas Schäfer, nach Tübingen freiwerdende Professur für Klassische Archäologie nicht wieder zu besetzen. Dieser Vorschlag kommt für alle Beteiligten völlig überraschend und wurde von den Gremien der Fakultät keinesfalls erwartet. Mit der Schließung der Klassischen Archäologie wird die Arbeitsgrundlage des Instituts für Altertumswissenschaften, die interdisziplinäre Erforschung der Antike durch die klassischen Philologien, die alte Geschichte und die Archäologie, zerstört.

Dazu hat das Institut etwa den bundesweit beachteten und viel gelobten Studiengang Antike Zivilisation eingerichtet, der jetzt ebenfalls von der Einstellung bedroht ist. Prof. Schäfer hat erheblichen Anteil an der Profilierung des Greifswalder Instituts. Ein internationales Grabungsprojekt auf der Insel Pantelleria (Italien) und Forschungen zur Rekonstruktion archaischer Plastik haben ihn bekannt gemacht. Dieser bundesweit vorbildhafte Forschungsverbund wird durch die Vorschläge des Rektors in Frage gestellt. Stattdessen sollen nach den Vorstellungen Prof. Westermanns die verbleibenden Mittel der Professur für Christlichen Archäologie und Geschichte der Kirchlichen Kunst an der Theologischen Fakultät zugeordnet werden. Diese neue Professur soll sich auf christliche und antike Kunst spezialisieren.

Ein solches Profil ist nach Einschätzung des deutschen Archäologen-Verbandes "völlig unrealistisch". Es stellt einen Rückfall in ein kunstwissenschaftliches und archäologisches Fachverständnis dar, dass seit dem 20. Jahrhundert überwunden ist und negiert die Leistungen der klassischen Archäologie für die Erforschung der antiken Lebenswelt. Auch in Rostock wird die Klassische Archäologie mit der Emeritierung des derzeitigen Stelleninhabers nicht in der bekannten Form weitergeführt werden. Stattdessen soll ein Schwerpunkt im "technischen" Bereich liegen. Mecklenburg-Vorpommern, das Geburtsland Heinrich Schliemanns, verzichtet damit an seinen Universitäten auf die klassische Archäologie.

[Quelle: Fachschaftsrat Altertumswissenschaften der Uni Greifswald]

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