Russischer Humboldt-Stipendiat zu Gast bei den Orientalisten der Universität Jena
Seit Anfang Oktober forscht Mikhail Bukharin als Humboldt-Stipendiat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Insgesamt drei Monate ist er bei Prof. Dr. Norbert Nebes am Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft zu Gast. Mit Hilfe der Jenaer Orientalisten möchte Bukharin mehr über die Geschichte des vorislamischen Südarabiens – dem Gebiet des heutigen Jemen – herausfinden. »Bis heute wissen wir nur relativ wenig darüber, denn es gibt keine lokale Geschichtsschreibung so wie wir es von Europa kennen«, berichtet er. Forschern stehen nur zwei wesentliche Quellen zur Verfügung: die Inschriften vor Ort, deren Information jedoch begrenzt ist, und die Reiseberichte von griechischen und römischen Gelehrten der klassischen Antike. Seinen Forschungsaufenthalt in Jena sieht Mikhail Bukharin daher als ausgezeichnete Chance: »Während Norbert Nebes Experte für altsüdarabische Sprachen ist, beschäftige ich mich vor allem mit den klassischen Texten über den Alten Orient. Das ist einfach eine ideale Konstellation.«
In den nächsten Wochen wird der russische Altertumswissenschaftler eine ganz besondere Handschrift unter die Lupe nehmen: die auf Griechisch verfasste Schrift »Periplus Maris Erythraei« – auf Deutsch: »Küstenfahrt des Roten Meeres« –, in der auf etwa fünf Blättern der antike Jemen, seine Könige und die Handelsbeziehungen mit anderen Ländern beschrieben werden. »Es gibt zwei Versionen dieser Handschrift, wobei jeweils eine in Heidelberg und London aufbewahrt wird«, erklärt der Humboldt-Stipendiat. »Die Londoner Fassung wird als schlechte Kopie der Heidelberger Schrift angesehen, doch ich möchte das Gegenteil beweisen.« Gerade die Unterschiede zwischen den beiden Textfassungen verraten wichtige Details über die Geschichte Südarabiens, ist Bukharin überzeugt. »Zudem stammen die Beschreibungen der Handelsbeziehungen aus der Zeit um Christi Geburt – eine Zeit, aus der wir besonders wenig über die Region wissen.«
Auch um die Handschrift selbst ranken sich noch immer etliche Geheimnisse, die Bukharin ebenfalls lüften will. Denn die Heidelberger Fassung ist zwar bereits publiziert und wissenschaftlich erforscht, die Londoner Version hingegen geriet nahezu in Vergessenheit. »Die einzelnen Blätter wurden aus einem griechischen Kloster gestohlen und anschließend stark beschädigt. Aber wie die Schrift schließlich nach London gekommen ist, ist noch nicht vollständig geklärt«, berichtet Bukharin.
Mikhail Bukharin ist Leiter des Zentrums für Altorientalistik an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Den Jenaer Orientalisten Norbert Nebes hat er bei einer Ausgrabung im Jemen kennengelernt und steht seitdem mit ihm in regelmäßigem Kontakt. Vor zehn Jahren war er daher schon einmal als Gastwissenschaftler in Jena. Inzwischen sei Norbert Nebes zu einem wichtigen wissenschaftlichen Mentor geworden, so Bukharin. »Der Zusammenhalt zwischen den Kollegen, die im Jemen forschen, ist schon allein wegen der harten Bedingungen unglaublich groß.« Aber auch mit Blick auf die Einheimischen und die Landschaft gerät Mikhail Bukharin ins Schwärmen: »Dort ist einfach alles komplett anders als in meinem Heimatland oder in Europa«, sagt er und fügt hinzu: »Der Jemen lohnt sich, das sind Erlebnisse fürs Leben!«
Ein besonderes Erlebnis dürfte für den russischen Wissenschaftler auch die Reise nach Deutschland gewesen sein. Etwa 2.000 Kilometer sind es von Moskau bis nach Jena. Eine Distanz, bei der die meisten wohl das Flugzeug bevorzugen. Dr. Bukharin hingegen ist mit dem Auto in die Saalestadt gereist. »Manchmal waren die Straßen etwas schlecht, aber sonst war das völlig unproblematisch«, lacht der 42-jährige Russe.
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