Romanische Reste in der Merseburger Domklausur entdeckt
Die bislang ältesten Bauteile des im Jahre 968 durch Kaiser Otto I. gegründeten Bistums Merseburg stammen aus dem im Jahre 1021 geweihten Dom. Von den unverzichtbar zugehörigen Wohn- und Arbeitsgebäuden der Domherren (Klausurgebäude) war bislang nichts bekannt. Auch bei den in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgeführten und inzwischen gut erforschten Um- und Neubauten im Bereich der Domstiftsklausur fehlten jegliche Hinweise auf eine Bautätigkeit an den Stiftsgebäuden. Lediglich die sog. Johanniskapelle, die vom westlichen Kreuzgang aus erreichbar ist, konnte sicher ins frühe 13. Jahrhundert datiert werden.
Darüber hinaus wurde vermutet, dass sich im Ostflügel der Klausur mittelalterliche Bausubstanz erhalten hat. Das bezeugt eindrücklich die Michaeliskapelle.
Der Südflügel hingegen galt bisher als Neubau für Archivzwecke der preußischen Regierung Merseburg. Er wurde in den 1880er Jahren errichtet und diente nebenbei auch als Wohnung für den Domküster.
Die Fachliteratur zum Dom und seinen Klausurgebäuden vermerkt ohne Ausnahme, dass vom einstigen Südflügel nach dem Abbruch und Neubau im späten 19. Jahrhundert keinerlei mittelalterliche Bauteile mehr erhalten geblieben seien.
Im südlichen Klausurflügel sollen nun im Sommer 2008 zusätzliche Räume für die Präsentation des Merseburger Domschatzes und zugleich für das Europäische Romanikzentrum, das als An-Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in diesem Gebäude seinen Dienstsitz erhalten soll, geschaffen werden. Im Vorfeld der nötigen Um- und Ausbauten der betroffenen Räume führte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) bauhistorische und naturwissenschaftliche Untersuchungen durch, die unter der Leitung des Bauhistorikers Dr. Reinhard Schmitt vom LDA standen.
Es zeigte sich sehr schnell, dass die gewölbten Räume im Keller- und Erdgeschoss aus dem Mittelalter stammen müssen. Zwei Türen und mindestens drei Fenster stammen aus der Zeit der Errichtung dieses Gebäudes. Die dendrochronologische Auswertung mehrerer hölzerner Tür- und Fensterstürze ergab eine Datierung in die Zeit um 1150. Damit ist ein großer Teil des romanischen Klausursüdflügels wiederentdeckt.
Neben den hochmittelalterlichen Domstiftsklausuren in Havelberg, Magdeburg, Halberstadt und Naumburg darf nunmehr auch Merseburg für sich beanspruchen, wertvolle Bausubstanz aus dem Hochmittelalter zu besitzen. Mit dem „alten Kapitelsaal“ im Ostflügel der Halberstädter Domstiftsklausur – ebenfalls aus der Mitte des 12. Jahrhunderts - zählt der Merseburger Südflügel somit zu den ältesten Domstiftsgebäuden in Sachsen-Anhalt. Für den neuen Sitz des Romanikzentrums nicht in einem historisierenden Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert, sondern in einem Klausurflügel aus romanischer Zeit ist dies ein angemessenes Domizil.
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