Rettung für das Heilige Grab in Gernrode
Zur Bedeutung des Heiligen Grabes
Die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode (Lkr. Harz) birgt mit dem Heiligen Grab einen ganz besonderen Schatz von herausragender kunst- und kulturgeschichtlicher Bedeutung. Es handelt sich um die älteste Nachbildung des Jerusalemer Grabes Christi mit figürlichen Darstellungen nördlich der Alpen. In seiner architektonischen Gliederung, bestehend aus Vorkammer und ehemals eingewölbter Grabkammer, nimmt es unmittelbar Bezug auf sein Jerusalemer Vorbild. Aktuelle, vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie herausgegebene Forschungsergebnisse haben aufgezeigt, dass das Heilige Grab in wesentlichen Teilen noch sein mittelalterliches Erscheinungsbild aufweist. Die um 1090 errichtete Kleinarchitektur mit qualitativ herausragendem Bildschmuck erfuhr um 1130 und nochmals Ende des 15. Jahrhunderts Um- und Neugestaltungen.
Konservierungsmaßnahmen 2008 – 2011
Seit 2003 laufen intensive Bemühungen zur Rettung des Heiligen Grabes, denn fotografische Langzeitbeobachtungen offenbarten gravierende fortschreitende Schäden, insbesondere an den äußeren reliefierten Wänden aus Sand- und Kalkstein. Vergleiche mit Fotografien aus der Zeit um 1900 dokumentieren die unwiederbringlichen und enormen Verluste. Es bestand äußerst dringender Handlungsbedarf, doch mussten zunächst die Ursachen zweifelsfrei ermittelt werden.
Baugrunduntersuchungen und Feuchtemessungen ergaben, dass vom südlichen Kreuzgang her aufsteigende Salze die entscheidende Ursache für den enormen Verwitterungsfortschritt waren. Aus der Zusammensetzung der Salze ließ sich eindeutig nachweisen, dass sie aus den Ausscheidungen von Tieren stammten, die über Jahrhunderte in benachbarten Stallungen gehalten worden waren. Die Salze verteilten sich zusammen mit aufsteigender Feuchtigkeit vor allem in den bodennahen Reliefs. Bei wechselndem Raumklima üben Salze bei Trocknung und Kristallisation einen hohen Druck auf das poröse Materialgefüge des Steins aus. Seine Stabilität wird zunehmend herabgesetzt und auf Dauer entstehen Schäden in Form von Rissen, Schalen und Materialablösungen.
Das Ziel der nun beginnenden Konservierungsmaßnahmen ist es, die zerstörerischen Salze mittels so genannter Kompressen, d. h. feuchter Auflagen, herauszulösen und die geschädigten Bereiche durch Festigungsmaterialien zu stabilisieren. Die Versuche zur Erprobung unterschiedlicher Kompressen im Labor und an Musterflächen vor Ort sind abgeschlossen. Die so genannte Salzreduzierung wird nunmehr abschnittsweise von der Diplom-Restauratorin Corinna Grimm vorgenommen. Im Anschluss folgt die Sicherung der fragilen Bauteiloberflächen mit strukturellen Festigungen wie Hinterfüllungen von Hohlstellen, Anböschungen von Schalenrändern sowie Rissinjektionen. Teil der Maßnahme ist die schonende Reinigung der Steinoberflächen, die Reste der Bemalung am Grab wieder sichtbar macht. Der Diplom-Restaurator Thomas Schmidt wird sich zukünftig in gleicher Weise um die kostbaren Stuck- und Putzoberflächen kümmern. Im Anschluss an die Konservierungsarbeiten werden die Restauratoren regelmäßige die Oberflächen des Heiligen Grabes kontrollieren.
Diese kostenintensiven Maßnahmen wären nicht möglich gewesen ohne die großzügige Unterstützung vieler Beteiligter. Zuerst erfolgte eine Zusage durch das Denkmalpflegeprogramm des Landes Sachsen-Anhalt. Daraufhin gelang es, zahlreiche weitere Förderer zu gewinnen: die Lotto Toto GmbH, die Bodensteinstiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die Rudolf-August Oetker Stiftung, die Bundesrepublik Deutschland über den Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung mit der örtlichen Kreissparkasse, den Landkreis Harz, die Stadt Gernrode, die Landeskirche Anhalts, die Ev. Kirchengemeinde St. Cyriakus, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KIBA) sowie die Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Es entstand ein umfassendes Restaurierungsprojekt, das im August 2008 begann und bis Anfang 2011 laufen wird.
Die Maßnahmen am Heiligen Grab sind Teil umfassender Arbeiten in der gesamten Kirche. Dazu gehören Reparaturen an der Außenwand, dem Kirchenfußboden und weiteren Ausstattungsstücken. Die Holzdecken der Kirche, insbesondere direkt über dem Heiligen Grab, sind von Schimmelpilzen befallen. Dies führte zur Einhausung des Heiligen Grabes, die zugleich als "gläserne Restaurierungswerkstatt" und zum Schutz vor klimatischen Schwankungen im Kirchengebäude diente. Die vor Ort tätigen Diplom-Restauratoren Corinna Grimm und Thomas Schmidt haben in akribischer Feinarbeit sämtliche Schäden am Heiligen Grab erfasst, dokumentiert und bewertet und die anthropogenen Auswirkungen auf das Klima in der Einhausung durch größere Menschenmengen analysiert, um Schlussfolgerungen auf die zukünftige Belastung der Bauteile durch die touristische Nutzung abzuschätzen.
Die Bestimmung der Schadensphänomene und die eindeutige Klärung der Schadensursachen erfordern vielfältige naturwissenschaftliche Untersuchungen wie Klima- und Feuchtemessungen, Baustoff- und Salzanalysen, Bestimmung biogener Schadfaktoren usw. Diese Forschungs- und Beratungsaufgaben werden im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes von erfahrenen Fachleuten getragen. Als Kooperationspartner unterstützen das Projekt: der Fachbereich Restaurierung der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim, das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. (IDK) in Halle, das Ingenieurbüro Dr. Ganß in Weimar sowie das Consultingbüro Dr. Elzner und Partner in Halberstadt. Die Planungskoordination obliegt dem Architekturbüro Planungsring Architekten + Ingenieure GmbH in Wernigerode, insbesondere Dipl.-Ing. Mario Kowalsky.
Insgesamt werden in den Jahren 2008 – 2011 ca. € 900.000 in die Erhaltung der Kirche und des Heiligen Grabes investiert. Mit Abschluss der Konservierungsarbeiten wird auch die Einhausung wieder entfernt. Damit wird das Heilige Grab gesichert sein und für zukünftige Generationen erhalten bleiben.
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