Rekonstruiertes Schiff soll römischen Handel erklären

Mit Hammerschlägen haben gestern die Präsidenten der Universität Trier und der Hochschule Trier ein besonderes Wissenschaftsprojekt gestartet. Vordergründig geht es darum, ein antikes römisches Handelsschiff des Typs Laurons 2 möglichst originalgetreu und in ursprünglicher Größe nachzubauen. Dahinter steht die Absicht, Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die eine Neubewertung des Seehandels wie auch des Wirtschaftssystems des römischen Reiches insgesamt erlauben.

Prof. Dr. Norbert Kuhn, Michael Hoffmann, Prof. Dr. Christoph Schäfer und Prof. Dr. Michael Jäckel (von links) gaben per Hammerschlag den Startschuss für das Projekt
Prof. Dr. Norbert Kuhn, Michael Hoffmann, Prof. Dr. Christoph Schäfer und Prof. Dr. Michael Jäckel (von links) gaben per Hammerschlag den Startschuss für das Projekt Rekonstruktion der "Laurons 2“. (Sheila Dolman, Universität Trier)

Wenn das 16 Meter lange, fünf Meter breite und vier Meter hohe Frachtschiff unter günstigen Voraussetzungen Ende 2018 die Bauhalle auf dem Campus der Universität Trier verlassen kann, beginnt der zweite und für die historische Wissenschaft bedeutende Teil des Projektes. Bei Messfahrten auf der Mosel sollen Leistungsdaten des Schiffes mit einem elektronischen Messsystem erfasst werden, das für die Segelregatta America's Cup entwickelt und an die speziellen Eigenschaften römischer Schiffe angepasst wurde. Dabei werden erstmals Segeldaten eines römischen Handelsschiffs erhoben - beispielsweise welche Kurse und wie schnell das Schiff bei einer bestimmten Windrichtung und -stärke segeln konnte. Diese Messdaten werden es erlauben, die bisher schon an der Universität Trier erforschten Methoden zur Berechnung der Kapazitäten von antiken Seerouten weiter zu präzisieren. "Diese Ergebnisse können als Grundlage weitergehender Forschungen dienen, die nicht nur den römischen Seehandel, sondern vielmehr auch Grundfragen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte tangieren", sagt der Projektleiter, Althistoriker Prof. Dr. Christoph Schäfer von der Universität Trier.

Außergewöhnlich und vorbildlich wird dieses Projekt nicht alleine durch seinen experimentell-wissenschaftlichen Ansatz, sondern auch durch die intensive Einbindung von Studierenden. Kommilitonen der Universität und freiwillige Helfer bauen das Schiff unter Anleitung eines erfahrenen Bootsbaumeisters, der schon an drei von Professor Schäfer geleiteten Rekonstruktionen römischer Militärschiffe beteiligt war.

Maschinenbaustudenten der Hochschule Trier haben unter der Anleitung ihres Dozenten Michael Hoffmann ein Datenmodell des Schiffs nach Risszeichnungen von Dr. Ronald Bockius vom Museum für Antike Schiffahrt in Mainz erstellt, das eine Überprüfung der Fahreigenschaften parallel zum realen Nachbau ermöglicht. Die digitale 3D-Rekonstruktion wird Datengrundlage für intensive Berechnungen und Simulationen, aber auch für den aufwendigen 1:1-Nachbau. Letztendlich gilt es durch den Vergleich der virtuellen Daten mit den tatsächlich an der Rekonstruktion bei Testfahrten gemessenen Werten auszuloten, inwieweit man künftig Daten historischer Segelschiffe rein virtuell und somit kostengünstiger ermitteln kann.

Eine Vielzahl von Kooperationen und Förderungen durch regionale Einrichtungen und Unternehmen machen "Laurons 2" darüber hinaus zu einem Musterprojekt der Trierer Wissenschaftsallianz, die sich Zusammenarbeit und Vernetzung von Institutionen und den Transfer von Wissenschaft in die Region zum Ziel gesetzt hat.

Die Rekonstruktion eines römischen Handelsschiffs muss von einem konkreten Schiffsfund ausgehen, weil Reliefs, Münzen oder Schriftquellen so wenig Informationen zur Konstruktion solcher Schiffe bieten, dass nur durch den Rückgriff auf ein gut erhaltenes Wrack die notwendige Detailtreue gewährleistet ist. Der unvergleichlich gute Erhaltungszustand des bei Laurons in Frankreich gefundenen Wracks gilt in seiner Vollständigkeit als einmalig im gesamten Mittelmeerraum. Deshalb bietet dieser Fund die beste Grundlage für die Erforschung römischer Handelsschiffe und ermöglicht darüber hinaus einen außergewöhnlichen Einblick in die Handwerkskunst römischer Bootsbauer. Das Projekt unter dem Titel "Potential und Intensität des römischen Seehandels unter besonderer Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit eines rekonstruierten seegängigen Handelsschiffes" wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Der antike, insbesondere der römische maritime Handel umfasste nicht nur das gesamte Küstengebiet des Mittelmeerbeckens, sondern erstreckte sich unter anderem bis ins Schwarze Meer, an die Atlantikküsten Europas und Nordafrikas und selbst bis in die Nord- und Ostsee hinein. Dieser in einem antiken Sinne schon global zu nennende Handel ist dank der Forschung der letzten Jahrzehnte aufgrund epigraphischer und papyrologischer Quellen recht gut zu fassen. Dagegen sind wichtige Fragen in Bezug auf den Seehandel, der um ein Vielfaches kosteneffizienter war als der Transport von Waren über Land, immer noch ungeklärt. Dabei wurde gerade der Seehandel, der auf den Transport sowohl von massenproduzierten Alltagswaren als auch von Luxusartikeln gleichermaßen spezialisiert war, mehr als andere Handelssparten von technologischen Entwicklungen und allgemein den Möglichkeiten antiker Technik beeinflusst. Auf diesem Gebiet steckt die Forschung in vielen Feldern noch in den Anfängen, wenngleich in den vergangenen Jahrzehnten auch hier wichtige Fortschritte erzielt wurden – oder doch zumindest zunehmend die Erkenntnis wuchs, dass solche Fragestellungen bedeutsam für die Einschätzung des römischen Handels sind.

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