Provisorische Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert entdeckt
Neuenburg wurde um 1175 durch Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Schnell stieg die Stadt dank ihrer günstigen Lage an bedeutenden Handelsrouten, einer der größten Wasserstraßen Europas und einem Rheinübergang ins benachbarte Elsass zu einem regionalen Zentrum des Handels und der Politik auf. Durch immer wiederkehrende Hochwasser an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert erodierte das Kiesplateau, auf dem die Stadt lag, sodass nach und nach ein Drittel des Stadtgebiets im Rhein versank. Diese Naturkatastrophe und weitere Zerstörungen durch Kriege führten in der Frühen Neuzeit schließlich zum Niedergang der Stadt. Bei den aktuellen Grabungen wird erstmals das Gelände unmittelbar an dieser Abbruchkante archäologisch untersucht.
Zur großen Überraschung traten die Reste der mittelalterlichen Bebauung nicht – wie an anderen Stellen im Stadtgebiet – unter bis zu zwei Meter hohen Aufschüttungen, sondern unmittelbar unter dem Platzpflaster zutage. Im Hofbereich der einstigen Bebauung an der Marktstraße (heute Breisacherstraße) wurden Parzellenmauern, Nebengebäude, Reste von Gerbergruben und ein Backofen aus dem Spätmittelalter erfasst. Der markanteste Befund ist jedoch eine in der Mitte des 16. Jahrhunderts errichtete provisorisch wirkende Stadtmauer. Der Bau dieser neuen Wehranlage war durch den Verlust der Stadtmauer im Westen der Stadt durch die Rheinfluten notwendig geworden. Der Befund belegt, dass es damals offenbar schnell gehen musste: Die Wehrmauer entstand nicht nach einem einheitlichen Konzept. Vielmehr waren die Lücken zwischen bestehenden Steingebäuden mit einzelnen Mauerstücken geschlossen worden, die an den Kontaktstellen nicht immer aufeinanderpassten. Zur Verstärkung dieser aus wiederverwendetem Abbruchmaterial errichteten Notlösung baute man dahinter einen kleinen Wehrturm. Provisorien hielten offenbar auch in der Frühen Neuzeit lange, denn noch 1643 bildete Matthäus Merian diese „Not-Stadtmauer“ in seiner Stadtansicht Neuenburgs ab.
Die Grabungen werden voraussichtlich im Januar 2024 abgeschlossen.
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