Philologen erstellen „Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike“

Lange galt die Spätantike als Epoche des Verfalls, doch in jüngster Zeit hat die Forschung den Zeitraum zwischen dem dritten und sechsten Jahrhundert nach Christus als Zeitalter des Übergangs und Wandels wieder entdeckt. Vor diesem Hintergrund erforscht eine Gruppe von Wissenschaftlern die Literatur dieser Zeit, um eine „Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike“ herauszugeben.

»Wir wollen die Vielfalt der kulturellen Veränderungen anhand christlicher und paganer Texte abbilden. In dieser Epoche begegneten sich antike Bildungstraditionen, neue philosophische Strömungen und christliches Denken«, erklärt Gauly. Ziel des seit drei Jahre laufenden Projektes sei die zweisprachige Edition zeitgenössischer Werke, bei der sich im fertigen Werk der Originaltext und die deutsche Übersetzung gegenüberstehen – inklusive textkritischer Anmerkungen der Herausgeber sowie einer Einordnung der Texte in die Epoche. Die Wissenschaftler wollen sich mit ihrem Werk, von dem die ersten Bände voraussichtlich im kommenden Jahr erscheinen werden, insbesondere an Historiker, Theologen, Philosophen und Kulturwissenschaftler richten, um ihnen eine moderne Übersetzung mit lesbaren Texten zu bieten.

Das 15-köpfige Forscherteam mit Spezialisten, die unter anderem von den Universitäten in Münster, Bonn, Jena und München stammen, traf sich vor kurzem an der KU zu einem Austausch. Dabei wurde nicht nur über die theoretischen Voraussetzungen der Übersetzungsarbeit und spezielle Herausforderungen diskutiert, welche die Literatur dieser Epoche bereithalten, sondern auch exemplarisch über die Texte und ihre deutsche Wiedergabe gesprochen. Eine Herausforderungen für die Beteiligten besteht in der Auswahl der Literatur, welche in Sammlung Eingang finden soll, da das Angebot an potentiellen Texten aus der Spätantike deutlich größer ist als das aus der Antike. Die Bandbreite der beim Eichstätter Treffen diskutierten Texte gibt Einblick in die absehbare Vielfalt der Reihe: Das Gedicht eines unbekannten Autoren feiert die Macht der Göttin Venus und das erotische Frühlingserwachen der Natur; ein romanähnlicher Text, die lateinische Übersetzung einer griechischen Vorlage (auch Fragmente einer syrischen Version haben sich erhalten) lässt Clemens, den späteren Bischof von Rom, von seiner Begegnung mit dem Apostel Petrus erzählen; ein Hofdichter preist die militärischen Erfolge des weströmischen Kaisers über einen maurischen Fürsten; ein Bischof preist in einem Gebet zur Segnung der Osterkerze Gottes Schöpfung.

Die Herausgeber möchten sowohl bereits etablierte Autoren als auch unbekannte Verfasser berücksichtigen, so dass manche Beiträge zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vorliegen werden. Die Bände der Reihe wollen die Forscher unter anderem nach Themen – wie zum Beispiel Reise- oder Briefliteratur – gliedern bzw. auch gesammelten Werken einzelner Autoren widmen.

Die Leitung des Projektes hat der Inhaber des Lehrstuhls für Klassische Philologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), Prof. Dr. Bardo Maria Gauly, gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Alexander Arweiler von der Universität Münster.

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