Opferstätte und astronomisches Observatorium
Die mittelneolithische Kreisgrabenanlage (Stichbandkeramik-Kultur, ca. 4900 bis 4600/4550 v.Chr.) von Goseck wurde bereits 1991 durch Otto Braasch bei luftbildarchäologischen Untersuchungen entdeckt. Zwischen 2002-2004 konnte sie im Rahmen einer Kooperation des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vollständig ausgegraben werden. Die spektakulären Ergebnisse der Ausgrabungen führten zu dem Entschluss, die Anlage vor Ort komplett zu restaurieren – seit 2005 ist sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. 2005-2013 folgte ein groß angelegtes Projekt unter Leitung von Prof. Dr. François Bertemes (MLU), das die Kreisgrabenanlage in ihrer siedlungsarchäologischen Einbettung umfassend erschloss.
Die Kreisgrabenanlage von Goseck gehört zu den einfachen Anlagen mit Graben, möglicherweise vorgelagertem Wall und zwei konzentrischen Palisadenkränzen, die den Innenraum der Anlage abgrenzen. Graben und Palisaden besaßen drei Eingänge: im Norden, Südosten und Südwesten. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Anlage fanden sich zahlreiche Gruben, die meist Tierknochen und Keramik enthielten. Zahlreiche Befunde weisen auf eine sakrale Funktion des Bauwerks hin.
Im Bereich des Kreisgrabens traten in auffällig hoher Funddichte Fragmente von Rinderschädeln und etwa 30 Hornzapfen von Rindern zutage. Auch sind Rinder die mit Abstand am häufigsten vertretene Gattung im Tierknocheninventar der Kreisgrabenanlage. Die besondere Bedeutung und mystische Überhöhung von Rindern in der Jungsteinzeit lässt sich in vielen neolithischen Kulturen, insbesondere auch an zahlreichen Kreisgrabenanlagen, fassen.
Im südöstlichen Bereich schneidet die äußere Palisade eine etwa 1,6 x 1,3 m große Grube. Der Grubenbefund ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Die Grubenwände waren stark durchgeglüht. Gruben mit Spuren von Feuereinwirkung finden sich in Goseck an verschiedenen Stellen der Kreisgrabenanlage. Neben den Brandspuren enthielt diese Grube menschliche Knochen eines erwachsenen Individuums. Es fanden sich ausschließlich Teile menschlicher Extremitäten. Knochen vom Rumpf oder der Schädel fehlten. Da die Knochen nicht mehr im anatomischen Verband lagen, ist von einer Deponierung im bereits teilskelettierten Zustand auszugehen. Ein weiterer Grubenbefund enthielt fünf Finger- und Mittelhandknochen einer menschlichen rechten Hand. Die Knochen wurden im anatomischen Verband niedergelegt und gehörten einem juvenilen/erwachsenen Mann.
Neben diesen Befunden verweisen auch astronomische Bezüge auf eine sakrale Funktion der Kreisgrabenanlage. Von einem Standort etwa im Zentrum des Bauwerks aus ließen sich die Sonnenauf- und -untergänge wichtiger astronomischer Ereignisse auf wenige Tage genau vorherbestimmen und beobachten. Die bedeutendsten Visurlinien verlaufen durch die beiden Durchlässe im Südosten und Südwesten. Nur hier spiegeln sich die Öffnungen der Palisaden auch im Kreisgraben wider. Sie korrespondieren mit den Auf- und Untergangspunkten der Sonne zur Wintersonnenwende (21. Dezember). Weitere Durchlässe in den Palisaden stimmen mit der Sommersonnenwende (21. Juni) und Beltaine (30. April) überein.
Publikation
Die mittelneolithische Kreisgrabenanlage von Goseck, Burgenlandkreis
Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte Band 88. 2023
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