Ohne Bagger und Spaten: Archäologische Untersuchungen am Weltkulturerbe Corvey
Von der mittelalterlichen Siedlung um das ehemalige Kloster Corvey ist heute oberflächlich nichts mehr zu erkennen. Ihre Überreste liegen bis zu einem Meter tief unter der Erde. Frühere Ausgrabungen und Prospektionen haben bereits gezeigt, dass sich die zerstörte und verlassene Stadt Corvey über eine Fläche von rund 40 Hektar erstreckt. »Einen Teil dieses Areals untersuchen wir nun mithilfe hochauflösender Radarmessungen«, erklärt Joris Coolen von der LWL-Archäologie für Westfalen. »Dabei senden wir Radarstrahlen aus, die von den Mauern im Boden reflektiert werden und uns so ein Bild liefern.« Dazu nutzen er und seine Kollegen Traktoren, mit denen sie über die Fläche fahren und Radarsonden vor sich herschieben. Am Ende werden die so gewonnenen Daten am Computer ausgewertet.
Mit dem Bodenradar lassen sich in erster Linie Steinmauern darstellen. Daneben nutzt das Team aber auch Magnetikmessungen, um auch andere archäologische Strukturen zu erfassen. Kleine Störungen im Erdmagnetfeld werden gemessen und kartiert, so dass sich archäologische Befunde wie zum Beispiel Öfen und verfüllte Gruben erkennen lassen.
Auf diese Weise muss nicht in den Boden eingegriffen werden und die Spuren der Vergangenheit können erhalten bleiben. »Die Stadtwüstung ist nicht nur ein geschütztes Bodendenkmal, sondern auch Teil des UNESCO-Weltkulturerbes«, erklärt Höxters Stadtarchäologe Andreas König. »Ausgrabungen bedeuten immer eine Zerstörung der archäologischen Strukturen, die wir als Archäologen eigentlich schützen wollen. Es ist daher von großem Vorteil, dass wir die mittelalterlichen Hinterlassenschaften untersuchen können, ohne diese ausgraben zu müssen.« Die Stadtarchäologie Höxter ist in das Prospektionsprojekt ebenfalls als Kooperationspartner eingebunden und unterstützt die Erforschung der großflächig im Boden erhaltenen Stadtwüstung. Für die Untersuchung auf ihrem Grundstücksbesitz gab die Fürstenfamilie von Ratibor die Erlaubnis.
Das international renommierte Ludwig Boltzmann-Institut für archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie zählt seit einigen Jahren zu den Partnern der LWL-Archäologie für Westfalen, die vor kurzem eine eigene Abteilung für Prospektionen eingerichtet hat. Das Institut hat mithilfe von zerstörungsfreien Methoden bereits international bedeutende Entdeckungen gemacht. In Westfalen führte die gemeinsame Arbeit unter anderem zum Auffinden mehrerer jungsteinzeitlicher Siedlungen in der Warburger Börde.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit lässt sich nun um das Weltkulturerbe Corvey ergänzen. »Die gewonnenen Messdaten könnten dabei als Grundlage für eine virtuelle Rekonstruktion der mittelalterlichen Stadt dienen«, so Coolen. »Dafür benötigt es aber auch noch verschiedener Informationen, die zum Teil auch nur Grabungen liefern können.« Dadurch wäre es möglich die Stadt Corvey am Computer wieder auferstehen zu lassen und mehr darüber zu erfahren, wie das Umfeld der Klosteranlage einst aussah.
Historischer Hintergrund
Bereits im 9. Jahrhundert siedelten sich zahlreiche Menschen im Umfeld der Benediktinerabtei Corvey an. In den darauffolgenden Jahrhunderten wuchs der Siedlungskern zu einer großen Stadt heran mit einer eigenen Befestigung, einer eigenen Kirche, aufwändig gepflasterten Straßen und mehrstöckigen Häusern. Dennoch verloren sowohl die Abtei als auch die Stadt aufgrund politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen im 13. Jahrhundert rasch an Bedeutung. Ein gezielter Überfall durch ein Bündnis aus der konkurrierenden Stadt Höxter, dem Bischof von Paderborn und Corveyer Beamter im Jahr 1265 führte zur endgültigen Zerstörung der Stadt.
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