Neue UNESCO-Welterbestätten ernannt

Vom 10. bis 25. September 2023 tagte das UNESCO-Welterbekomitee in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Auf seiner 45. Sitzung beriet das Gremium über die Aufnahme neuer Stätten in die Welterbeliste, den Erhalt und Schutz des Menschheitserbes sowie über die Weiterentwicklung des Programms. Zu den archäologisch interessanten Neuaufnahmen zählen z. B. das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt und die Ringburgen aus der Wikingerzeit in Dänemark.

Talatí de Dalt auf Menorca
Talatí de Dalt auf Menorca (© Xavi Marquès Triay)

Europa

Wikingerzeitliche Ringburgen (Dänemark)

Die Ringburgen Aggersborg, Fyrkat, Nonnebakken, Trelleborg und Borgring sind wichtige Zeugnisse militärischer Architektur der Wikingerzeit. Alle fünf Anlagen wurden während der Herrschaft von Harald "Blauzahn" Gormsson etwa zwischen 970 und 980 nach einheitlichen Entwürfen errichtet. Sie bestanden aus befestigten kreisförmigen Wällen mit vorgelagertem Graben und vier Toren. Die axialen Torstraßen teilten das Innere in vier gleiche Teile, in denen Langhäuser errichtet wurden. Diese Festungskette überwachte wichtige Land- und Seewege auf der Halbinsel Jütland sowie auf den Inseln Fünen und Seeland. Obwohl sie nur für kurze Zeit in Betrieb war, ist die Kette ein herausragendes Beispiel für die Zentralisierung der Wikingermacht unter Harald Blauzahn, dessen Einflussgebiet sich vom heutigen Norddeutschland über Dänemark bis nach Südschweden und Norwegen erstreckte.

Jüdisch-Mittelalterliches Erbe in Erfurt (Deutschland)

Die Alte Synagoge, die Mikwe und das Steinerne Haus im Herzen der Erfurter Altstadt sind ein ebenso seltenes wie hervorragend erhaltenes Beispiel jüdischer Sakral- und Profanarchitektur aus dem europäischen Mittelalter. Alle drei Gebäude veranschaulichen in ihrer Bausubstanz, in ihren architektonischen Details und Dekorationselementen, wie sich eine jüdische Gemeinde räumlich und sozial an das Zusammenleben mit einer überwiegend christlichen Gesellschaft anpasste. Dabei zeugt das Ensemble von der Blütezeit jüdischen Lebens in Erfurt vom späten 11. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Stadt am Schnittpunkt bedeutender mitteleuropäischer Handelsrouten lag. Gleichermaßen dokumentiert das Welterbe das furchtbare Ende der Gemeinde durch die Pest und die ihr folgenden Pogrome.

Das Maison Carrée von Nîmes (Frankreich)

Das Maison Carrée ist ein herausragend gut erhaltener römischer Tempel aus dem 1. Jahrhundert. Er entstand in der Übergangszeit von der Republik zum Kaiserreich und war den jung verstorbenen Erben von Kaiser Augustus – Gaius und Lucius Caesar – gewidmet. Sein Platz im Forum des früheren Nemausus zeugt von der Bedeutung des neuen Kaiser-Kults in den römischen Provinzen. Der Tempel vereint architektonische und dekorative Merkmale des antiken Roms mit solchen der augusteischen Epoche. Das Bauwerk kündet vom Anspruch des Kaisertums, das Römische Reich in eine Zeit des Friedens, des Wohlstands und der Stabilität, die Pax Romana, zu führen.

Prähistorische Stätten des Talayotischen Menorca (Spanien)

Auf Menorca, der zweitgrößte Baleareninsel, finden sich ausgesprochen viele Trockensteinbauten aus der Bronze- und späten Eisenzeit. Sie wurden aus großen Steinblöcken ohne Mörtel errichtet und zeugen von der sogenannten zyklopischen Architektur. Typisch für diesen Baustil sind  runde Häuser, von Säulen getragene Dächer und künstliche Höhlen, Hypogäen genannt. Aufgrund ihrer großen Zahl und ihres außergewöhnlich guten Erhaltungszustands geben die Bauten Aufschluss über die prähistorischen Inselkulturen der Region. So lässt ihre räumliche Verteilung auf hierarchische Gesellschaften schließen, während Blickachsen soziale Netzwerke und astronomische Ausrichtungen ein religiöses Bedeutungssystem vermuten lassen.

Afrika

Djerba: Kulturlandschaft, Zeugnis eines Siedlungsmusters auf einem Inselgebiet (Tunesien)

Auf der tunesischen Insel Djerba zeigt sich ein herausragendes Siedlungsmuster aus dem 9. Jahrhundert, das der Wasserknappheit auf der Insel Rechnung trug. Die Kulturlandschaft zeichnet sich durch eine besonders geringe Bebauungsdichte aus: Houma genannte Nachbarschaften, die aus mehreren Höfen bestanden, lagen über die Insel verstreut. Sie waren wirtschaftlich autark, aber über ein komplexes Straßennetz untereinander sowie mit verschiedenen religiösen Zentren und Handelsplätzen verbunden. Urbanere jüdische Quartiere ergänzten diese Raumaufteilung. Auf Djerba entwickelte sich so ein soziokulturelles Wirtschaftsmodell, das auf die natürlichen Bedingungen der Insel abgestimmt war.

Asien

Hirschsteine und zugehörige Stätten der Bronzezeit (Mongolei)

An den Hängen des Changai-Gebirges gelegen, zeugen die Hirschsteine von der Begräbniskultur eurasischer Nomaden der Bronzezeit. Bei den monumentalen Kunstwerken handelt es sich um bis zu vier Meter hohe Monolithe, die senkrecht aus dem Boden aufragen und mit Abbildungen von Hirschen verziert sind. Sie werden auf die Zeit zwischen 1200 und 600 v. Chr datiert und wurden in räumlich ausgedehnten Komplexen errichtet, in denen sich zudem große Grabhügel und Opferaltäre finden.

Seidenstraßen: Zarafshan-Karakum-Korridor (Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan)

Der 866 Kilometer lange Zarafshan-Karakum-Korridor ist einer der Schlüsselabschnitte der Seidenstraßen in Zentralasien. Er verläuft von Ost nach West entlang des Zarafshan-Flusses und folgt den alten Karawanenstraßen durch die Karakum-Wüste zur Merv-Oase. Der Zarafshan-Karakum-Korridor ist ein Sammelbecken kultureller Traditionen, die durch den Handel geprägt und entlang der gesamten Route ausgetauscht wurden. Davon zeugen die luxuriösen Residenzen der Kaufleute, Zitadellen, frühislamische Säulenmoscheen, fortschrittliche Bewässerungssysteme und das breite Spektrum an Karawansereien, die entlang des Korridors unterhalten wurden.

Koh Ker: Archäologische Stätte des antiken Lingapura oder Chok Gargyar (Kambodscha)

Lingapura, auch als Chok Gargyar bekannt, war zwischen 921 und 944 eine bedeutende Stadt des Khmer-Reichs. Die Grabungsstätte befindet sich etwa 80 Kilometer nordwestlich von Angkor. Sie umfasst zahlreiche Tempel und Heiligtümer mit Skulpturen, Inschriften und Wandmalereien. Ihre Architektur ist von zwei wichtigen Entwicklungen geprägt: dem Koh-Ker-Stil der Bildhauer jener Zeit mit seinen dynamischen, skulpturalen Bildern und dem Bauen mit großen monolithischen Steinblöcken. Beide Innovationen leiteten eine jahrhundertelange Phase des Steintempelbaus im gesamten Khmer-Reich ein.

Die antike Stadt Si Thep (Thailand)

Die antike Doppelstadt Si Thep, die Tempelruine Khao Klang Nok und das Höhlenkloster Khao Thamorrat sind außergewöhnliche Zeugnisse der Dvaravati-Kultur, die vom 6. bis 10. Jahrhundert in Zentralthailand florierte. Gemeinsam zeigen die drei Stätten den immensen Kulturaustausch der Dvaravati mit Indien, dem Hinduismus sowie dem Theravada- und Mahayana-Buddhismus. Khao Thamorrat ist das einzige bekannte Höhlenkloster des Mahayana-Buddhismus in Südostasien. Die lokale Auseinandersetzung der Davaravati mit den fremden Einflüssen führte zur Entwicklung einzigartiger künstlerischer und kultureller Merkmale, die sich in Stadtplanung, Mönchtum und religiöser Architektur ausdrückten. Die Si-Thep-Kunstschule beeinflusste Zivilisationen in ganz Südostasien.

Gaya-Hügelgräber (Südkorea)

Die Hügelgräberkomplexe der Gaya befinden sich im südlichen Teil der koreanischen Halbinsel. Sie wurden zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert von den sieben Staaten der Gaya-Konföderation angelegt. Die Gaya-Staaten arbeiteten ebenso autonom wie politisch gleichberechtigt zusammen. Diese Kombination aus Zu- und Eigenständigkeit spiegelt sich in den Gräbergruppen wieder. Grabbeigaben wie Eisenwaffen weisen auf ein ähnliches Maß an militärischer Macht hin, während Handelsgüter belegen, dass die Mitglieder der Konföderation auch wirtschaftlich miteinander in Austausch standen.

Heilige Ensembles der Hoysala (Indien)

Die drei bedeutendsten Tempelkomplexe im Hoysala-Stil aus dem 12. bis 13. Jahrhundert befinden sich im heutigen Bundesstaat Karnataka in Südindien. Der Hoysala-Stil entstand durch die sorgfältige Auswahl älterer Sakralbauelemente und ihre Integration in neue Tempel. Ziel der Hoysala-Dynastie war es, eine kulturelle Identität zu schaffen, die sich klar von jenen der starken Nachbarkönigreiche unterschied. Die sternförmigen Schreine der Hoysala zeichnen sich durch hyperreale Skulpturen und Steinschnitzereien aus, die ihre gesamte Oberfläche bedecken. Skulpturengalerien erzählen religiöse Geschichten und ganze Epen nach. Diese innovative und exzellent ausgeführte Bildhauerkunst stellt eine bedeutende Etappe in der Entwicklung hinduistischer Tempelarchitektur dar.

Naher und Mittlerer Osten

Gordion (Türkei)

Gordion war das politische und kulturelle Zentrum des antiken Phrygien. Die Stadt lag etwa neunzig Kilometer südwestlich des heutigen Ankara am Schnittpunkt der großen Reiche: Assyrer, Babylonier und Hethiter im Osten, Griechen und Römer im Westen. Die Grabungsstätte Gordion ist dadurch sowohl für das Verständnis der phrygischen Zivilisation als auch der gesamten Eisenzeit außerordentlich wichtig. So befindet sich am Eingang zur Zitadelle Gordion der am besten erhaltene Torkomplex der Eisenzeit.

Holzsäulenmoscheen des mittelalterlichen Anatolien (Türkei)

Entstanden zwischen dem späten 13. Jahrhundert und der Mitte des 14. Jahrhunderts, zeichnen sich die fünf anatolischen Moscheen durch ihre ungewöhnliche Kombination aus äußerem Mauerwerk und mehreren Reihen hölzerner Säulen im Inneren aus. Sowohl die Säulen als auch die Holzdecken schmücken außerordentlich kunstvolle Schnitzereien, die von handwerklicher Exzellenz zeugen. Dieses Wissen und Können brachten Handwerker aus Zentralasien nach Anatolien, die sich nach den Einfällen der Mongolen in der 1240er-Jahren in der Region niederließen. Dank ihnen sind die fünf Holzsäulenmoscheen ein bis heute bedeutendes Beispiel für die Entwicklung islamischer Architektur.

Das antike Jericho / Tell es-Sultan (Palästinensische Gebiete)

Das antike Jericho bzw. Tell es-Sultan ist eine archäologische Grabungsstätte im Jordantal. Die 29 Siedlungsphasen der Stadt reichen bis 10.500 v. Chr. zurück. Erhaltene Monumentalbauten wie eine Mauer mit Graben und Turm belegen, dass das antike Jericho im 9. und 8. Jahrtausend v. Chr. bereits eine beachtliche Siedlung war. Doch auch weniger augenfällige Funde geben Aufschluss über Bau- und Lebensweisen während der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Am antiken Jericho lässt sich der Übergang der Menschheit zu sesshaftem Gemeinschaftsleben und damit auch zu neuen Formen der Subsistenzwirtschaft, der sozialen Organisation und der Entwicklung religiöser Praktiken nachvollziehen.

Die persische Karawanserei (Iran)

Karawansereien waren Gasthäuser, die Reisenden Wasser, Nahrung und Unterkunft gewährten. Mehr als 1.000 dieser Orte wurden über viele Jahrhunderte entlang der Straßen des heutigen Irans errichtet. Über 50 der einflussreichsten sind jetzt Teil des UNESCO-Welterbes und offenbaren eine breite Palette an architektonischen Stilen und Baumaterialien. Gemeinsam zeigen sie die Entwicklung des persischen Netzwerks der Karawansereien über verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte.

Amerika

Zeremonielle Erdwerke von Hopewell (Vereinigte Staaten von Amerika)

Die acht monumentalen Hügel und Erdwerke im US-Bundesstaat Ohio wurden vor 2.000 bis 1.600 Jahren errichtet und zeugen von der indigenen Hopewell-Kultur. Die Monumente dienten zeremoniellen Zwecken und wurden von der verstreut lebenden Bevölkerung gemeinsam entlang der Nebenflüsse des Ohio River errichtet. Die immensen Anlagen sind weiträumig verteilt und beeindrucken durch ihre geometrische Präzision: Die Erdwerke, die nach den Phasen von Sonne und Mond ausgerichtet wurden, zeigen exakte Quadrate, Kreise und Achtecke.

Archäologischer Park Tak'alik Ab'aj (Guatemala)

Nahe der Pazifikküste Guatemalas gelegen, zeugt der archäologische Park Tak’alik Ab’aj von der 1.700-jährigen Geschichte der gleichnamigen Terrassenstadt, die zwischen 800 v. Chr. und dem Jahr 900 existierte. In dieser Zeit ging die Olmeken-Zivilisation allmählich in die frühen Maya-Kultur über. Tak’alik Ab’aj war für diesen Wandel von besonderer Bedeutung. Durch ihre Lage an einem wichtigen Handelsweg zwischen den heutigen Staaten Mexiko und El Salvador, wurde die Stadt durch Wissen, Können und Bräuche bereichert, die entlang der Route ausgetauscht wurden. Noch heute betrachten viele indigene Gruppen den archäologischen Park als heiligen Ort.

Archäologische Stätte Jodensavanne: Siedlung Jodensavanne und Friedhof Cassipora Creek (Suriname)

Jodensavanne war eine frühe jüdische Kolonie in Südamerika, die in den 1680er-Jahren am Ufer des Flusses Suriname gegründet wurde. Ihre Überreste umfassen die Ruinen einer der ältesten Synagogen auf dem amerikanischen Doppelkontinent, Friedhöfe, die Fundamente von Backsteingebäuden, Bootsanleger und die Spuren eines Militärpostens. Der Friedhof Cassipora Creek bezeugt eine noch ältere Siedlung, die seit den 1650er-Jahren wenige Kilometer flussaufwärts existiert haben muss. Für ihre Zeit untypisch, befanden sich die beiden sephardischen Siedlungen nicht in städtischer Umgebung. Stattdessen lebten die Gemeinden hier lange inmitten indigenen Territoriums mit freien und versklavten Menschen afrikanischer Herkunft zusammen. Jodensavanne ist das außergewöhnliche Zeugnis einer autonomen jüdischen Gemeinschaft in Suriname, die vom 17. bis zum 19. Jahrhundert Bestand hatte.

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