Neue Spur zu einer verschollenen Varus-Inschrift
Die Schau des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist Teil des Ausstellungsprojektes "Imperium Konflikt Mythos. 2000 Jahre Varusschlacht". Sie beleuchtet die politischen Leistungen des Augustus und die kulturelle Blüte seines "Goldenen Zeitalters". Vom Verlierer der Schlacht im Teutoburger Wald zeichnet die Ausstellung ein Bild, das mit dem verbreiteten "Versager-Image" des Publius Quinctilius Varus aufräumt.
Kaiser Augustus befand sich zwischen 22/21 und 19 v. Chr. auf einer Reise durch den Osten des römischen Imperiums, die ihn durch Sizilien, Griechenland, Kleinasien und Syrien führte. Während der geschäftlichen Unternehmungen in den östlichen Provinzen zählte Varus zu seinen Begleitern. Zumindest zeitweise diente er dem Kaiser als persönlicher Finanzbeamter. Die Bewohner Athens, der Kykladeninsel Tenos (heute Tinos) sowie Pergamons (heutige Westtürkei) errichteten Varus zu Ehren sogar mehrere Statuen. Zwar gingen die Skulpturen verloren, doch die erhaltenen Inschriften berichten von den Huldigungen für den kaiserlichen Vertrauten. Sie sind der früheste archäologische Nachweis seiner Person.
Eine der Inschriften aus Pergamon bedeutet: "Das Volk (von Pergamon) ehrt Publius Quin(c)tilius Varus". Wahrscheinlich dankten die Bürger Varus auf diese Weise für großzügige Schenkungen oder andere Vergünstigungen. Vielleicht wollten die Bewohner Pergamons mit der Ehreninschrift aber auch seine Gunst gewinnen, um später davon zu profitieren.
Das LWL-Römermuseum kann in seiner Ausstellung die Inschrift nur als Reproduktion zeigen. Denn der Stein, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei einem Brunnenhaus des Burgberges von Pergamon gefunden wurde, galt lange als verschollen. Nachforschungen im Vorfeld der Imperium-Schau haben ergeben, dass die mit dem Text versehenen Überreste des Sockels zuletzt in Haltern am See zu sehen waren.
Keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern die Beschreibung einer Fahrradreise des Journalisten und Schriftstellers Werner Bergengruen brachte die Ausstellungsmacher auf diese Fährte. Bergengruen radelte 1933 durch weite Teile Deutschlands und hielt seine Erinnerungen in dem Band "Deutsche Reise" von 1934 fest. Darin heißt es: "Im Halterner Museum fesselt mich das Fragment eines Steindenkmals mit einer griechischen Ehreninschrift auf Publius Quintilius Varus. Der Fund wurde in Pergamon getan und gelangte als Geschenk nach Haltern."
Weitere Recherchen ergaben, dass der Stein ein Präsent war. Das Osmanische Reichsmuseum in Istanbul schenkte ihn dem Römisch-Germanischen Museum Haltern, Vorläufer des LWL-Römermuseums. Alexander Conze, der zwischen 1878 und 1894 die Ausgrabungen in Pergamon leitete, hatte die Schenkung vermittelt. Im März 1945 wurde das Museum in Haltern durch eine Bombe zerstört. Zwar war ein Großteil der Sammlung zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelagert, doch für die Inschrift gilt das wohl nicht. Möglicherweise liegt sie noch immer im Kriegsschutt unter dem Parkplatz in Haltern begraben.
Die Inschriften aus dem Osten des Römischen Reiches lassen vermuten, dass Varus dort recht beliebt war - anders, als später in Germanien, wie auch Bergengruen in seinem Reisebericht bemerkte: "Die Inschrift besagt, das Volk habe ihn geehrt. Aber das Volk um Lippe und Weser war von anderem Gemüt."
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