Neue Interpretation eines 4.000 Jahre alten Gräberfelds
Grundlegende technologische Veränderungen sorgen oft auch für tiefgreifende soziale Veränderungen. Das zeigt sich nicht nur aktuell bei der Digitalisierung, sondern auch bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert oder der Einführung der Bronze als Werkstoff vor etwa 4000 Jahren. Derartige Übergangszeiten in der Vergangenheit zu verstehen kann deshalb auch helfen, aktuelle Prozesse besser einzuordnen.
Zwei Archäologen des Exzellenzclusters ROOTS an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben jetzt in der Fachzeitschrift Slovenská archeológia eine Studie veröffentlich, die neue Sichtweisen auf die zeitliche Abfolge und die soziale Struktur der frühbronzezeitlichen Nitra-Kultur in der heutigen Slowakei werfen. Die neuen Untersuchungen am Gräberfeld von Výčapy-Opatovce 75 Kilometer nordöstlich von Bratislava widerlegen frühere Annahmen, dass unterschiedliche Bereiche des Gräberfelds nacheinander angelegt worden sind.
»Wir konnten mit neuen naturwissenschaftlichen Datierungen zeigen, dass die untersuchten Gräber mehr oder weniger gleichzeitig angelegt wurden. Unterschiedliche Grabbeigaben sind deshalb eher sozial, nicht zeitlich zu erklären«, erklärt Fynn Wilkes, einer der beide Autoren. Sein Kollege und Mitautor Henry Skorna ergänzt: »Damit eröffnet die Studie neue Interpretationsmöglichkeiten für dieses wichtige Gräberfeld zum Verständnis der frühesten Bronzezeit in Südosteuropa.«
Seit den 1950er Jahren ist das Gräbefeld von Výčapy-Opatovce bekannt. Es sind mehr als 300 Gräber archäologisch untersucht worden – die meisten davon können der sogenannten Nitra-Kultur zugeordnet werden. Es handelt sich dabei um die früheste bronzezeitliche Kultur am Nordwestrand des Karpatenbeckens. Výčapy-Opatovce ist eines der größten Gräberfelder, dass dieser Kultur zugeordnet werden kann.
Die frühe Bronzezeit in der Südwestslowakei vor rund 4000 Jahren war geprägt von intensiven sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen. Aufgrund der Lage am Nordrand der Karpaten und in der Nähe der Mährischen Pforte nimmt die Region auch eine wichtige Mittlerrolle zwischen Mittel- und Südosteuropa ein. Trotz dieser Bedeutung liegen bisher nur sehr wenige auf der Messung des Kohlenstoff-Isotops C14 beruhende Datierungen für die Frühbronzezeit in der Slowakei vor.
Eine frühere Studie zum Gräberfeld von Výčapy-Opatovce ordnete verschiedene Grabgruppen daher nur auf Grundlage der Grabbeigaben und der daraus rekonstruierten Tracht in mehrere zeitliche Stufen ein.
Im Jahr 2021 haben die beiden Autoren der aktuellen Studie Proben vom Gräberfeld mit Hilfe der C14-Methode datieren lassen und die Ergebnisse ausgewertet. Sie zeigen deutlich, dass die Bestattungen mit unterschiedlichen »Trachten« zeitlich sehr nah beieinander liegen.
»Wir können daraus schließen, dass hier unterschiedliche soziale Gruppen jeweils in Clustern bestattet wurden«, erklärt Fynn Wilkes. Henry Skorna ergänzt: »Diese Gruppierung von Gräbern um jeweils besonders reich ausgestattete ist auch auf anderen prähistorischen Gräberfeldern zu beobachten und deshalb eigentlich nicht überraschend«.
Die beiden Autoren, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeiten im Exzellenzcluster ROOTS angefertigt haben, hoffen, damit neue Diskussionen und weitere Interpretationsmöglichkeiten um die Frühbronzezeit, und damit eine spannende und sehr dynamische Epoche der europäischen Urgeschichte, zu eröffnen.
Publikation
The Dawn of the Early Bronze Age in South-Western Slovakia. A Re-Evaluation of the Social Structure and Chronology of Výčapy-Opatovce
Slovenská archeológia, vol. LXX, no.1, pp. 63-80. 1335-0102. 30.06.2022
DOI: 10.31577/slovarch.2022.70.3
https://www.sav.sk/?lang=sk&doc=journal-...
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