Mutige Theorien und viel Kleinarbeit
In ihrer Dissertation stellt Briana N. Doering eine neue These zur Migration der indigenen Dene/Athabascan auf, die durch archäologische, sprachliche, genetische und mündlich überlieferte Daten belegt ist. Lange war die gängige Meinung, diese Sprachgruppe hätten wegen eines Vulkanausbruchs ihre Heimat verlassen. Doering stellt in Frage, dass hier ein plötzliches dramatisches Umweltereignis zugrunde lag. Stattdessen ging sie von einem allmählichen Prozess aus, der durch soziale Faktoren ausgelöst wurde: eine wachsende Bevölkerung und eine Reorganisation von Gruppen im Zusammenhang mit der Verwandtschaftsstruktur.
Um ihre These zu überprüfen grub sie vier archäologische Stätten mit fünf Zeitkomponenten aus, die an der Stelle des damals ausbrechenden Vulkans liegen. Sie führte jeweils gründliche lithische Analysen durch, um festzustellen, ob und wie sich die Werkzeugherstellung und die Auswahl des Rohmaterials veränderten. Zudem analysierte sie Isotope von Lipiden in Feuerstellen und kombinierte diese mit Studiendaten zur Zusammensetzung der damaligen Ernährung. Eine umfangreiche Metadatenanalyse von zwei Radiokarbondatenbanken aus den USA und aus Kanada zeigte ihr, wie die Größe und Anzahl der Siedlungen die Nutzung der Umwelt beeinflußte.
Doerings Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Dene/Athabascan schon vor dem fraglichen Vulkanausbruch in Bewegung waren, bereits in den Jahrhunderten davor lassen sich Veränderungen nachweisen: Die Steinwerkzeuge wurden spezialisierter, die Menschen nutzte die Ressourcen des Hoch- und Tieflandes intensiver und verließen sich zunehmend auf den Fischfang. Zusätzlich untersuchte Doering die Verwandtschaftsstrukturen der Dene/Athabascan-Gruppen und stellte fest, dass damit verbundene Veränderungen in der sozialen Organisation das Bevölkerungswachstum erklären könnten.
Briana N. Doering studierte am Barnard College der Columbia Universität (New York) den Bachelor Anthropologie und absolvierte an der Universität Michigan (Ann Arbor) den Master "Anthropologische Archäologie". Dort schloss sie 2020 ihre Promotion ab und ist seitdem als Juniorprofessorin in der Abteilung Anthropologie an der Universität Wyoming tätig. Sie forscht in Alaska unter anderem an Fragen zu Migration, indigener Archäologie, Mensch-Tier-Beziehungen, räumlicher Organisation, Resilienz und Anpassung.
Der mit 5000 Euro dotierte Förderpreis für Urgeschichte und Quartärökologie ist von der Mineralwassermarke EiszeitQuell gestiftet und wird in diesem Jahr zum 25. Mal vergeben. Die Verleihung findet heute auf Schloss Hohentübingen statt. Die Preisträgerin hält einen Vortrag zum Thema "Exploring early cooking traditions in Arctic North America via targeted excavations and molecular methods".
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