Mondsee: 5.500 jahre alter Misthaufen gewährt neue Einblicke in Landwirtschaft der Steinzeit

Durch die Analyse von Nutztierkotresten im Umfeld der steinzeitlichen Pfahlbausiedlungen am Mondsee im Salzkammergut gewinnen Forscher:innen wertvolle Einblicke in den Alltag im Jahr 3.500 vor Christus. Ein Team um den Archäobotaniker Thorsten Jakobitsch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zeigt in einer aktuellen Publikation, wie stark die Menschen ihre Ökosysteme schon im Neolithikum genutzt und geformt haben, zum Beispiel durch die Einbringung von Laubheu und ausgeklügelte Nutzungskonzepte für Waldbestände.

Fichtenzweige aus Sedimentproben
Fichtenzweige, die mit Dung vermischt in den Sedimentproben der Seeufersiedlung am Mondsee gefunden wurden. Die Fichtenzweige dienten wahrscheinlich als Stalleinstreu. Foto © ÖAW

In der steinzeitlichen Pfahlbausiedlung »Mooswinkel« am Mondsee im Salzkammergut haben speziell ausgebildete Taucharchäologen aus Oberösterreich einen ungewöhnlichen wissenschaftlichen Schatz gehoben. Gut konserviert unter Ausschluss von Sauerstoff haben sich hier die Kotreste von steinzeitlichen Nutztieren über tausende Jahre erhalten.

„Im Prinzip handelt es sich um einen 5.500 Jahre alten Misthaufen. Wir analysieren die Proben im Labor und können so feststellen, dass Ziegen, Schafe und Kühe gehalten wurden und was auf ihrem Speiseplan stand”, sagt Thorsten Jakobitsch vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Jakobitsch ist Erstautor der Untersuchung, die er und Kolleginnen und Kollegen der Universität für Bodenkultur Wien nun im Fachjournal Archaeological and Anthropological Sciences publiziert haben.
 
Die genaue Analyse der von den Nutztieren verspeisten Pflanzen liefert auch tiefgehende Einblicke in die Lebensweise der Pfahlbautenbewohner um 3.500 vor Christus. „Wir können sehen, dass die Tiere nur im Winter in den Siedlungen gehalten wurden, und wir konnten Winterfutter wie getrocknete Blätter von Ulmen und Getreide nachweisen. Zudem haben wir erstmals einen handfesten Beweis für die Vermutung gefunden, dass auch Graspflanzen damals schon zu Heu verarbeitet wurden. Das können wir sagen, weil wir in den Heuresten Pflanzen gefunden haben, die für die Tiere giftig wären, wenn sie frisch verzehrt würden”, sagt Jakobitsch.

Steinzeit-Mensch formte Natur

Neben Anzeichen für das Sammeln von Grasheu haben die Forscher auch Spuren von Laubheu und Haselnussblüten in den Proben gefunden. Diese zeigen, dass auch der Wald damals schon genutzt wurde und zwar auf geplante und organisierte Art und Weise. „Die Haselnussblüten wurden im Spätwinter geerntet und als verlässliche Futterquelle für diese karge Jahreszeit genutzt. Das Ernten von Laubheu zeigt zudem, dass die Menschen sehr organisiert waren, weil abgeerntete Bäume einige Jahre Zeit brauchen, um wieder neue Triebe mit Laub zu liefern. Das muss entsprechend gemanagt werden“, sagt Jakobitsch.

Durch diese bereits intensive Nutzung der natürlichen Ressourcen haben die Menschen schon im Neolithikum ihre Ökosysteme deutlich verändert. „Durch solche regelmäßigen und recht großflächigen Eingriffe entstehen schon damals erste Kulturlandschaften, die es ohne menschliches Zutun so nicht gegeben hätte”, sagt Jakobitsch. Durch das »Köpfen« von Bäumen zum Beispiel ändert sich die Zusammensetzung der Pflanzenpopulation in einem Wald und Graspflanzen können profitieren. „Die Menschen damals haben viele ökologische Zusammenhänge gekannt und zu ihrem Vorteil genutzt. Die Pfahlbautenbewohner:innen waren äußerst einfallsreich”, sagt Jakobitsch.
 
Wie das Leben der Menschen damals im Alltag ausgesehen hat, gibt aber immer noch Rätsel auf. Das Team der Forscher:innen um Jakobitsch wird daher auch in Zukunft daran arbeiten, weitere Geheimnisse zu enthüllen. „Wir arbeiten bereits an weiteren Analysen, zum Beispiel von Pollen, die Aufschlüsse über das damalige Klima geben können. Es gibt noch viel zu lernen über die Lebensweise der Steinzeitmenschen vom Mondsee”, sagt Jakobitsch.

Kot von neolithischen Schafen oder Ziegen
Diese Kotkügelchen stammen entweder von Schafen oder Ziegen. Die Tiere wurden im Winter offensichtlich in der Siedlung gehalten. Foto © ÖAW
ÖAW-Archäobotaniker Thorsten Jakobitsch
ÖAW-Archäobotaniker Thorsten Jakobitsch analysiert Überreste der Steinzeit. Foto © ÖAW
Publikation

Thorsten Jakobitsch, Cyril Dworsky, Andreas G. Heiss, Marlu Kühn, Sabine Rosner & Jutta Leskovar

How animal dung can help to reconstruct past forest use: a late Neolithic case study from the Mooswinkel pile dwelling (Austria)

Archaeological and Anthropological Sciences. 04.02.2023
DOI: 10.1007/s12520-023-01724-5
https://link.springer.com/article/10.100...

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