Mittelalterliche Mauern in Attendorn

Archäologen finden Hinweise auf Torenkasten

In Attendorn (Kreis Olpe) haben Archäologen unter Leitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) die Grundmauern von vier Gebäuden aus dem 15. oder 16. Jahrhundert freigelegt. Zwei Steinhäuser verfügen über ungewöhnlich starke Mauern. Die Wissenschaftler vermuten hier einen sogenannten Torenkasten, in dem Verurteilte der Öffentlichkeit vorgeführt wurden.

Im Luftbild lassen sich die beiden mächtigen Fundamente des vermuteten Torenkasten und die dazwischen liegende Abwasserrinne gut erkennen
Im Luftbild lassen sich die beiden mächtigen Fundamente des vermuteten Torenkasten und die dazwischen liegende Abwasserrinne gut erkennen. (Foto: ABS/Köln)

Im Zuge von Bauarbeiten fanden südlich des Attendorner Marktplatzes umfangreiche archäologische Untersuchungen statt. Die Ausgräber entdeckten Fundamente und Mauern mehrerer Bauten, den Keramikscherben nach aus dem späten Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit. Besonders auffällig sind zwei Gebäude, die sich durch sehr starke Fundamente auszeichnen. Die außergewöhnliche Breite der Fundamente von bis zu anderthalb Metern spricht für mehrstöckige Bauwerke. Ein Teil der Gebäude liegt noch unter der modernen Bebauung, sodass ihre Größe nicht vollständig ermittelt werden konnte. Die Grundmauern umspannen jeweils einen Raum von mindestens 54 bzw. 78 Quadratmetern.

Schriftliche Quellen geben keinen Aufschluss darüber, wie das Quartier im Mittelalter genutzt wurde. Umso wichtiger seien daher die Ausgrabungen, so Franz Kempken von der beauftragten archäologischen Fachfirma: "Die starken Fundamente lassen auf ein öffentliches Gebäude schließen. Der Name der anliegenden Straße 'Torenkasten' legt nahe, dass die Steinhäuser zur städtischen Gerichtsbarkeit gehörten." In einen Torenkasten wurden im Mittelalter Verurteilte eingesperrt und zur Schau gestellt.

Den besonderen Charakter der Gebäude betont auch die Verwendung von vulkanischen Gesteinen als Baumaterial. Das Gestein wurde bei Plettenberg und Meinerzhagen abgebaut und musste über weite Strecken nach Attendorn transportiert werden. Für die übrigen Gebäude verwendete man Bruchsteine aus der vor Ort vorhandenen Grauwacke. Zwischen den beiden Gebäuden führte eine steinerne Rinne das in Attendorn reichlich niedergehende Regenwasser ab. Von der damaligen Trinkwasserversorgung zeugen zwei Brunnen.

Überraschenderweise haben die Archäologen keine einzige Latrinengrube entdeckt, die eigentlich typisch für mittelalterliche Stadtbezirke sind. Darüber hinaus verwundert die Experten, dass in den mittelalterlichen Erdschichten nur vergleichsweise wenige Haushaltsabfälle enthalten waren. "Vielleicht liegt das an dem öffentlichen Charakter der Gebäude", vermutet Dr. Eva Cichy, Referentin der LWL-Archäologie für Westfalen.

Auf eine ältere Besiedlung in Attendorn weisen Funde von Keramikscherben aus dem 10. bis 12. Jahrhundert hin. Darunter sind Bruchstücke von Töpfen aus dem Rheinland uns aus Friesland: ein Beleg für weitreichende Handelsbeziehungen. Die Grabungen wurden trotz teilweise widriger Wetterbedingungen zügig durchgeführt und waren noch vor den Weihnachtstagen abgeschlossen.

Hochmittelalterliche Keramik aus dem Rheinland
Hochmittelalterliche Keramik aus dem Rheinland (links) und auffällig schwarze Randscherben von Kugeltöpfen (rechts) erlauben Rückschlüsse auf die ausgedehnten Handelsbeziehungen der Hansestadt Attendorn. (Foto: ABS/Köln)
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