Mit Holz gegen das Wasser an der Wasserstraße
Die entdeckten Hölzer auf der nur 30 Quadratmeter großen Ausgrabungsfläche bildeten zusammen wohl eine Art Uferrandbefestigung. "Die komplexe Konstruktion bestand aus zwei bis drei hintereinanderliegenden, in Ost-West-Richtung verlaufenden Reihen, die jeweils aus Staken und dazwischen eingeflochtenen Weidenruten zusammengesetzt waren", beschreibt Grabungsleiter Ulrich Holtfester den Befund. Diese Reihen, auch Faschinen genannt, sollten dem abfallenden Gelände Halt geben. Als Staken verwendete man sowohl naturbelassene Äste als auch lattenförmig bearbeitete Hölzer. Südlich an die faschinenartigen Reihen angrenzend hatte man zudem zur Befestigung des Untergrundes zahlreiche Knüppel aus Birkenästen verlegt. Diese Äste hatten Durchmesser von bis zu zehn Zentimetern und waren an den Enden abgebeilt worden. Stellenweise lagen auf diesen Knüppeln noch mattenartige Überreste aus kleinen dünnen Ästen. "Die Ausrichtung der gesamten Konstruktion deutet darauf hin, dass sie das südlich anschließende Gelände vor eindringendem Wasser schützen sollte", vermutet Holtfester.
Aus der Holzkonstruktion, vor allem aber aus dem nördlich daran anschließenden Bereich konnte das Grabungsteam zahlreiche Funde bergen, darunter nicht nur Keramik des 13. Jahrhunderts, sondern auch zahlreiche Tierknochen sowie Schuhsohlen aus Leder. "Letztere konnten sich hier ebenso wie das Holz aufgrund des feuchten Untergrundes sehr gut erhalten," erläutert Julia Hallenkamp-Lumpe von der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen. Für die Wiedenbrücker Stadtgeschichte öffnet der Ausgrabungsbefund ein Fenster in die spannende, von Wachstum geprägte Zeit vor rund 800 Jahren: "Die aufwändige Holzkonstruktion wurde wahrscheinlich im Zuge der Errichtung der Neustadt kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt, um eine seit jeher siedlungsungünstige, östlich eines Altarms der Ems gelegene torfige Senke nutzbar zu machen", erläutert Sven Spiong, Leiter der Bielefelder Außenstelle. "Solche mittelalterlichen Landgewinnungs- bzw. Nachverdichtungsmaßnahmen in Städten sind immer wieder zu beobachten, jüngst z. B. auch in Minden oder Rietberg. Wenn die Stadt wuchs, wurden bislang ungenutzte Flächen als Bauland vorbereitet."
Die weiter fortgesetzte Nutzbarmachung des Geländes an der Wasserstraße zeigten Aufschüttungen, mit denen man im 14. oder 15. Jahrhundert die gesamte Konstruktion zudeckte, dadurch das Gelände erhöhte und es damit zusätzlich trockener machte. Von der endgültigen Aufsiedlung des Geländes zeugen schließlich bis zu zwei Meter lange Pfosten, die man durch die ältere Aufschüttung und die darunterliegende Holzkonstruktion gerammt hat. Einer dieser Pfosten gab sich als wiederverwendeter, leicht angekohlter Fachwerkbalken zu erkennen. Ob diese Pfosten zur ersten schriftlich überlieferten Bebauung des Grundstücks aus der Zeit um 1500 gehören könnten, sollen nun naturwissenschaftliche Untersuchungen klären.
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