Legitimation durch Krieg oder Frieden?
Trifft die in der altertumswissenschaftlichen Forschung nach wie vor vorwiegende Annahme zu, hellenistische Könige hätten sich unentwegt durch Verweise auf ihre in Kriegen errungenen Siege rechtfertigen müssen? Spricht bei genauerem Hinsehen nicht viel dafür, dass die Abwesenheit von Krieg und ein Leben in Frieden das war, was von ihnen erwartet wurde und worauf abzuheben sie sich in ihrer Selbstdarstellung bemühten? Die gegenwärtige Forschung zur antiken Monarchie ist seit dem 1982 erschienen Aufsatz "Der siegreiche König" von Hans-Joachim Gehrke von der Annahme geprägt, es habe eine spezifische Legitimationsbedürftigkeit monarchischer Herrschaft bestanden, die nach einem steten Zwang zum Nachweis militärischer Sieghaftigkeit verlangte. Von einer wirklich stark militärisch geprägten Selbstdarstellung der hellenistischen Könige kann jedoch kaum die Rede sein.
Ferner stünden solche Krieg und Sieg in den Vordergrund stellende Profilierungsbemühungen der Monarchen im Widerspruch etwa zur Gegenwartsanalyse des zeitgenössischen Geschichtsschreibers Polybios (ca. 200 bis 120 v. Chr.): Der einzige hellenistische Zeithistoriker, von dessen Werk größere Abschnitte überliefert sind, sieht im Frieden das einzige von allen Menschen unumstritten geschätzte Gut.
Auch deshalb scheint es also angebracht, Verweise auf erfolgreich geführte Kriege oder Siege in monarchischen Selbstdarstellungen in einem weiteren historischen Kontext zu untersuchen, der besonders den Zusammenhang mit erwünschten Ergebnissen des Krieges berücksichtigt. Eine wichtige Frage ist also insbesondere, als was der gewonnene Krieg in diesen Selbstdarstellungen eigentlich fungiert: als Weg zur Aneignung materieller Ressourcen? Oder erfolgreich eingesetztes Mittel zur Herstellung von Frieden?
Das Projekt "Friedenskultur(en) und monarchische Repräsentation in der hellenistischen Staatenwelt" orientiert sich dem entsprechend an sechs Leitfragen:
- Welches Gewicht haben Verweise auf den Frieden, konkrete Friedensschlüsse oder eine defensive Politik im Rahmen der monarchischen Selbstdarstellung – v. a. im Vergleich mit der militärischen Sieghaftigkeit?
- Inwieweit sind die Könige selbst in Friedensverhandlungen involviert? Welche Argumentationsfiguren werden hierbei gebraucht?
- Als was wird "Friede" verstanden? Als Abwesenheit von Krieg, als Verteidigung bestehender Besitzstände, als Durchsetzung hegemonialer Kontrolle oder gottgegebener Herrschaftsrechte oder als Gewährleistung einer normativ vorausgesetzten "Gerechtigkeit"?
- Welche Forderungen an den Herrscher werden diesbezüglich in normativen Texten – neben philosophischen Texten auch in Passagen bei Geographen, Historikern und Biographen – formuliert?
- Werden Aspekte des materiellen Wohlergehens eher mit Siegen oder der Abwesenheit von Krieg assoziiert? Und ist der Erwerb von Beute und fremden Reichtums wichtig für die königliche Selbstdarstellung?
- Konzentrieren sich Darstellungstypen in bestimmten Räumen? Waren sie an ein spezifisches Publikum adressiert?
Über die Fülle literarischer Quellen hinaus ist das reichhaltige epigraphische, papyrologische und numismatische Material zu sichten und zu analysieren, aus dem sich Aussagen über die königliche Selbstdarstellung für diesen Teilaspekt ableiten lassen. Alle Texte werden dabei nach ihrer Zuordenbarkeit zu Motivkategorien semantisch analysiert mit dem Ziel der Erstellung einer Textdatenbank, die auch in anderen Forschungskontexten hilfreich sein kann und frei zugänglich zur Verfügung gestellt wird.
Als PostDoc ist der Athener Chrysafis Federführender des am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Augsburg (Prof. Dr. Gregor Weber) angesiedelten Projekts, für das die DFG seit Anfang Mai 2019 für drei Jahre knapp 200.000 Euro zur Verfügung stellt. Neben der Erarbeitung einer Monographie wird Chrysafis auch einen internationalen Workshop zum Thema des Projekts organisieren. Dieser Workshop ist für das Frühjahr 2021 geplant. Er soll den chronologischen Bogen vom Alten Ägypten bis ins Frühe Mittelalter spannen und Expertinnen und Experten für die einzelnen Quellengattungen zu Wort kommen lassen.
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