Lauresham: Wo die Karolingerzeit lebendig wird
Der auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse errichtete karolingische Herrenhof führt den Besucher zurück in die Lebens- und Alltagswirklichkeit der Menschen im frühen Mittelalter. Strategisch angesiedelt zwischen der frühmittelalterlichen Klostergründung Altenmünster und der späteren Lorscher Reichsabtei auf dem Klosterhügel, umfasst die 4,1 Hektar große Anlage insgesamt 21 Wirtschafts-, Wohn- und Stallbauten sowie eine Kapelle. Die aktive Bewirtschaftung von Wiesen, Weiden, Gärten und Ackerflächen nach frühmittelalterlichen Methoden gehört ebenso zum Konzept von Lauresham wie die Haltung alter Nutztierrassen. Ochsen und Kühe, Schweine, Rinder, Gänse, Hühner, Schafe und Bienenvölker vermitteln neben täglichen Arbeiten und Feldversuchen den Besuchern ein lebendiges und wissenschaftlich fundiertes Bild vom Alltagsleben auf einem karolingischen Herrenhof. Damit wird neben der Bildungs- und Baugeschichte des Klosters Lorsch nun auch die dritte Säule für den Besucher anschaulich, die wesentlich zur Bedeutung der einstigen Benediktinerabtei beigetragen hat: die Grundherrenschaft. Konzipiert und realisiert wurde das Freilichtlabor Lauresham von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen zusammen mit dem Archäologischen Institut der Stadt Hamburg. Mit je rund einer Million Euro beteiligten sich das Land Hessen, die Stadt Lorsch und der Bund an der Finanzierung des Projekts.
"Mit der Eröffnung des Experimentalarchäologischen Freilichtlabors Lauresham am kommenden Sonntag wird das UNESCO Weltkulturerbe Kloster Lorsch um eine bedeutende Station im neuen Welterbe Areal Kloster Lorsch reicher", erklärt Karl Weber, Direktor der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, der zusammen mit Vertretern aus Politik und Wissenschaft das neue Freilichtlabor Lauresham heute der Presse vorstellte. "Dies ist ein weiterer wichtiger Baustein, um den Besuchern des Welterbe Areals Kloster Lorsch einen möglichst umfassenden Einblick in das Leben der frühmittelalterlichen Bewohner – nicht nur im Kloster, sondern auch vor seinen Toren – zu vermitteln", so Weber weiter. Auch Christian Schönung, Bürgermeister der Stadt Lorsch, und Matthias Wilkes, Landrat des Kreises Bergstraße, zeigten sich erfreut, dass der karolingische Herrenhof nach zweijähriger Bauzeit – pünktlich im 1250. Gründungs- und Festjahr des Klosters Lorsch – eröffnet werden kann.
"Alle in Lauresham rekonstruierten Gebäude, vom Herrenhaus über das Haus der Frauen und Kinder und dem Haus der Sklaven bis zur Scheune, gehen auf archäologische Vorbilder zurück", erklärte Dr. Hermann Schefers, Leiter der UNESCO Welterbestätte Kloster Lorsch. Als Grundlage für die Hausrekonstruktionen dienten nachgewiesene frühmittelalterliche Gebäudeensemble aus Süddeutschland, aber auch Grabungsbefunde der Region, darunter aus Mannheim-Seckenheim, Holzheim bei Fritzlar oder aus Speyer. Auch die Auswahl der Tiere sowie die Sorten der angebauten Getreide, Pflanzen und Gartenfrüchte geht auf historische Überlieferungen wie die Krongüterverordnung Karls des Großen (capitulare de villis) zurück. Lauresham möchte aber die Vergangenheit nicht nur abbilden, sondern sie auch experimentalarchäologisch erforschen. "Damit können wir einen konkreten wissenschaftlichen Beitrag zum Verständnis des frühmittelalterlichen Siedlungs- und Alltagslebens leisten", sagt Claus Kropp, der künftige Leiter des Freilichlabors. So werden etwa die Ackerflächen im Zyklus der Dreifelderwirtschaft bestellt. In diesem Projekt sind die beiden Ochsen David und Darius, die zur alten Rasse des Rätischen Grauviehs zählen, voll eingespannt: So pflügen sie beispielsweise – natürlich mit historischem Gespann – die für das Mittelalter charakteristischen "Wölbäcker", die in Lauresham genauer erforscht werden.
Vor allem aber will Lauresham eines: "Die Besucher erreichen und auf spielerische Weise mit herrschenden Klischees über das 'dunkle Mittelalter' aufräumen", erläutert Kropp. "Der Herrenhof erlaubt dem Besucher durch eigene Anschauung auch komplexe Themen zu begreifen, wie etwa das für das frühmittelalterliche Kloster Lorsch so zentrale Thema der Grundherrschaft oder das mittelalterliche Gesellschaftssystem".
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