Lagerplatz der Altsteinzeit in NRW entdeckt
Die Größe der Grabungsfläche beträgt ca. 700 qm2. Der einstige Siedlungsbereich war aller Wahrscheinlichkeit größer, doch sind weite Teile des potenziellen Fundareals durch ein im 2. Weltkrieg errichtetes Fremdarbeiterlager zerstört worden. Bimskörner von der Eruption des Laacher See-Vulkans, die in den Lehmablagerungen unterhalb des Fundhorizonts enthalten sind, belegen, dass die Besiedlung in die letzten Jahrhunderten der Allerød-Warmphase, etwa zwischen 10.966 und 10.700 v. Chr., stattfand.
Das über 4000 Artefakte umfassende Fundmaterial setzt sich vor allem aus Steingeräten und den Abfällen ihrer Herstellung zusammen. Die Geräte, u.a. Pfeilspitzen und Messer, bilden ein typisches federmesserzeitliches Geräteinventar. Diese Steinmaterialien bieten die Möglichkeit ziemlich genau nachzuvollziehen, welche Gegenden die Jäger und Sammler neben Wesseling noch aufsuchten. Tertiärquarzit und Chalzedon weisen nach Süden ins Mittelrheingebiet und zur Chalzedon-Lagerstätte bei Bonn. In eine ganz andere Richtung – nämlich genau nach Westen – weisen Orsbach- und Lousberg-Feuerstein, die aus der Umgebung von Aachen bzw. unmittelbar aus Aachen vom Lousberg zum Lagerplatz gebracht wurden.
Eine absolute Überraschung waren kleine, rätselhafte Objekte aus Braunkohle. Die bis zu 5 cm großen Stücke sind meist flach und auffallend häufig geometrisch geformt. Für die Kenntnis des Spätpaläolithikums, aus dem Kunstgegenstände nur in geringer Zahl überliefert sind, stellen die inzwischen mehr als ein Dutzend Objekte eine Bereicherung dar. Sie geben einen neuen Einblick in das Kunst- oder Schmuckschaffen der mitteleuropäischen Federmesser-Gruppen. Ebenso überraschend waren mehrere Quadaratmeter große Steinpflaster aus Flussgeröllen, die für diese Zeit bisher völlig unbekannt waren. Vermutlich dienten sie als Sitzplätze.
Die Jäger und Sammler Population, deren Lagerplatz in Wesseling entdeckt wurde, werden zu den sog. nordwesteuropäischen Federmesser-Gruppen gezählt, deren Name sich von den für diese Zeit typischen federmesserartigen Pfeilspitzen ableitet. Sie lebten in einer 1250 Jahre dauernden "Warmphase" (Allerød-Interstadial) kurz vor dem Ende der letzten Eiszeit. Ihre damalige Umwelt ist annähernd mit den heutigen Verhältnissen in Mittelschweden vergleichbar.
Erste Untersuchungsergebnisse werden vom Ausgräber Dr. Martin Heinen im aktuellen Band der Archäologie im Rheinland 2007 vorgestellt (Theiss-Verlag, ISBN 978-3-8062-2217-3)
RSS-Feeds @ Archäologie Online
- Nachrichten
- Videos
- Podcasts