Kleider machen Leute!

Der so genannte "Kopftuchstreit" ist ein brisantes Beispiel für den untrennbaren Zusammenhang von Kleidung und Identität. Ein von der EU gefördertes multinationales Forschungsprojekt untersucht jetzt, wie Menschen im römischen Reich ihrer Identität durch ihre Kleidung Ausdruck verliehen.

Das Projekt wird von den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim koordiniert. An der Universität Bonn sind die Abteilung "Alte Geschichte" des Instituts für Geschichtswissenschaft und die Abteilung "Christliche Archäologie" des Instituts für Kunstgeschichte beteiligt. Bis 2012 fördert die EU das internationale Forschungs- und Ausstellungsprojekt "Clothing and Identities. New Perspectives on Textiles in the Roman Empire (DressID)." Wissenschaftler aus den Bereichen Archäologie, Textilforschung, Althistorie, Kunst- und Religionsgeschichte sowie Zoologie und Chemie arbeiten darin zusammen. Das Projekt hat einen Gesamtumfang von rund fünf Millionen Euro; die Organisatoren der einzelnen Länder und die EU tragen die Kosten zu gleichen Teilen.

Die Forscher untersuchen das, was den Menschen seit jeher am nächsten liegt: die Kleidung, Ausdruck von Selbstbewusstsein, aber beispielsweise auch von Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung. Im römischen Reich lebten neben den "Römern" über Jahrhunderte Angehörige ganz unterschiedlicher "Nationalitäten", beispielsweise Kelten oder verschiedene orientalische Völker. Sie haben ihre Spuren nicht nur in der Kunst und antiken Texten hinterlassen, sondern auch in ihrer Kleidung - eine Quelle, die trotz des leicht vergänglichen Materials höchst ergiebig ist, bislang aber noch nicht hinreichend ausgewertet wurde. Das interdisziplinäre Forscherteam hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Lücke ausgehend von römischen Funden zu schließen.

Die Wissenschaftler untersuchen die Reste der Originalgewebe sowie die gewaltige Menge der schriftlichen Zeugnisse und Bildquellen. Sogar einzelne Fasern werden Auskunft über Qualität und Herkunft des Materials, aber auch über sein Alter und die darin verwendeten Farbstoffe geben. Es ergeben sich dabei eine ganze Reihe von weiteren Fragen: Welche Kleidungsstücke lassen sich aus den Resten erschließen und wer waren die Träger? In welchen historischen Kontext gehört ein Wechsel der Tracht? Aus welchem Teil des römischen Imperiums kamen einzelne Elemente der Kleidung, wer hat die Stoffe hergestellt und auf welche Art und Weise? Die Forscher hoffen, auf diese Weise alltägliche und besondere Tragegewohnheiten darstellen und Erkenntnisse über den Zusammenhang von Kleidung und Identität gewinnen zu können.

Das multinationale Forscherteam besteht aus elf Arbeitsgruppen, die jeweils unterschiedliche Teilprojekte bearbeiten. Die Bonner Privatdozentin Dr. Sabine Schrenk, Leiterin der Abteilung Christliche Archäologie, und ihr Kollege, der Althistoriker Professor Dr. Konrad Vössing, leiten den Themenschwerpunkt "Kleidung und Kult". Sie werten vorrangig ikonographische und schriftliche Quellen aus. "Uns interessiert vor allem, wie der kultische und religiöse Kontext die Kleidung bestimmt", erläutert Professor Vössing.

Im Herbst 2009 werden sie in diesem Zusammenhang in Bonn ein Kolloquium zum Thema "Kleidung, Religion und Kult im römischen Reich" veranstalten. Darin soll es zum Beispiel um die Anfänge der christlich-monastischen und -liturgischen Kleidung, um religionsbedingte Farben und um das Thema "Klöster in der Textilproduktion" gehen.

Die Ergebnisse des Gesamtprojektes werden übrigens nicht nur in Buchform vorgelegt, sondern auch visuell präsentiert. Noch vor Ablauf des Projekts, voraussichtlich vom Jahr 2010 an, sollen die Untersuchungen und ihre Resultate in einer Wanderausstellung mit den Stationen Mannheim, Wien, Valencia, Neapel und Brüssel der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

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