Keilschrifttafeln von Bassetki lüften Geheimnis um Königsstadt Mardaman
Die Archäologen des Instituts für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen hatten das aus 92 Tontafeln bestehende Archiv im Sommer 2017 ausgegraben. Unter der Leitung von Professor Peter Pfälzner arbeitet das Team gemeinsam mit Dr. Hasan Qasim von der Anti-kendirektion Duhok in der bronzezeitlichen Stadtanlage von Bassetki. Die Tontafeln stammen aus der Periode des mittelassyrischen Reichs um 1.250 vor Christus. In mühevoller Kleinarbeit wurden die kleinen, teils zerbrochenen Täfelchen nun durch Dr. Betina Faist von der Universität Heidelberg gelesen, die als Philologin und Spezialistin für assyrische Sprache an dem Tübinger Projekt mitarbeitet. Sie übersetzte anhand von Fotografien die Texte, die Stück für Stück Licht auf die Geschichte der Region und der Stadt zur Zeit des mittelassyrischen Reiches werfen.
Zur Überraschung der Wissenschaftler konnte Faist den Namen des Fundortes als die alte Stadt Mardama identifizieren. Wie die Keilschrifttexte ferner zu erkennen geben, war diese Sitz eines Statthalters des mittelassyrischen Reiches. Damit wird eine neue, bisher nicht bekannte Provinz dieses Reiches greifbar, das sich im 13. Jahrhundert vor Christus über weite Teile Nordmesopotamiens und Syriens ausdehnte. Sogar der Name des assyrischen Statthalters, Assur-nasir, sowie seine Aktivtäten und Aufgaben werden auf den Tafeln beschrieben. »Damit war plötzlich klar, dass wir mit unseren Ausgrabungen auf den assyrischen Gouverneurspalast gestoßen sind«, sagt Archäologe Pfälzner.
Gleichzeitig ist es für das Wissenschaftlerteam nun möglich, die Stadt zu lokalisieren, die in altbabylonischen Quellen um 1.800 vor Christus mit dem Namen Mardaman bezeichnet wird und dem assyrischen Mardama entsprechen dürfte. Den Quellen zufolge war sie Sitz eines Königtums, das von einem der mächtigsten Herrscher der damaligen Zeit, Schamschi-Adad I., im Jahr 1.786 vor Chris-tus erobert und seinem obermesopotamischen Reich einverleibt wurde. Allerdings wurde die Stadt wenige Jahre später wieder zu einem selbständigen Königtum unter einem hurritischen Herrscher namens Tisch-ulme. Dieser neuen Blüte folgte ein Rückschlag, als die Stadt um 1.769/1.768 vor Christus von den Turukkäern zerstört wurde, einem Bergvolk aus dem nördlich angrenzenden Zagrosgebirge. »Aus den Keilschrifttexten und durch die Ausgrabungsergebnisse in Bassetki wird nun deutlich, dass dies nicht das Ende bedeutete«, sagt Pfälzner. »Die Stadt existierte kontinuierlich weiter und erlebte eine letzte Blüte als mittelassyrischer Gouverneurssitz zwischen 1.250 und 1.200 vor Christus.«
Die Geschichte Mardamans lässt sich sogar in die frühen Perioden Mesopotamiens zurückverfol-gen. In den Quellen der Dritten Dynastie von Ur, ca. 2.100–2.000 vor Christus, erscheint es als wichtige Stadt an der nördlichen Peripherie des mesopotamischen Reichs. Die älteste Quelle reicht zurück in die Zeit des Akkadischen Reiches, das als erstes Großreich der Geschichte gilt. Sie erwähnt, dass die Stadt bereits um 2.250 vor Christus von Naram-Sin, dem mächtigsten Herrscher der akkadischen Dynastie, ein erstes Mal zerstört wurde.
»Der Tontafelfund aus Bassetki liefert einen wichtigen neuen Beitrag zur Geographie Mesopotamiens«, erläutert die Assyriologin Betina Faist. Möglicherweise könne sich mit diesem Puzzleteil die Lage weiterer früher Städte Mesopotamiens rekonstruieren lassen, sagt Pfälzner. »Mardaman wurde sicherlich auf Grund seiner Position an den Handelswegen zwischen Mesopotamien, Anatolien und Syrien zu einer bedeutenden Stadt und einem regionalen Königtum. Bisweilen war sie gar ein Widersacher der großen mesopotamischen Reiche. Folglich lassen sich von den geplanten weiteren Ausgrabungen der Universität Tübingen in Bassetki sicherlich noch viele spannende Entdeckungen erwarten.«
Die bronzezeitliche Stadtanlage von Bassetki wurde 2013 bei Geländeforschungen im Rahmen des Tübinger Sonderforschungsbereichs »RessourcenKulturen« (SFB 1070) entdeckt. Die 2017 gefundenen Tontafeln waren in einem Keramikgefäß niedergelegt, das wohl der Archivierung diente, und mit zwei weiteren Gefäßen von einem dicken Lehmmantel umhüllt. »Es wurde möglicherweise auf diese Weise versteckt, unmittelbar nachdem das umgebende Gebäude zerstört worden war. Vielleicht sollten Informationen geschützt und für die Nachwelt aufbewahrt werden«, erläutert Pfälzner.
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