Historischer Ochsenweg am Danewerk wieder aufgetaucht
»Wir haben auf der Fläche unter dem ehemaligen Rothenkrug sowohl kleine Reste von einzelnen Fahrspuren als auch weiter westlich ein Stück einer breiten Fahrbahn gefunden, die wir in den kommenden Wochen untersuchen werden. Die anderen, freiliegenden Abschnitte in Schleswig-Holstein sind auch in späteren Jahrhunderten noch genutzt worden. Es ist das erste Mal, dass ein unberührter älterer Abschnitt des Ochsenwegs auf diese Weise archäologisch untersucht werden kann. Es ist wirklich ein Glücksfall, dass diese Spuren sich erhalten haben, obwohl das Gelände mehrfach umgegraben wurde, um Gebäude darauf zu errichten«, freut sich die leitende Archäologin Astrid Tummuscheit vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein.
Ihr Kollegin Frauke Witte vom dänischen Museum Sønderjylland hat die tägliche Ausgrabung vor Ort geleitet. Sie verweist darauf, dass der Standort unmittelbar vor der Toröffnung im Danewerk diesen Fund besonders interessant macht: »Wir können nun sehen, dass der Ochsenweg zumindest zeitweise westlich des heutigen Ochsenwegs auf den Durchlass im Wall zulief. Dies ist eine wichtige Ergänzung zu dem Wissen, das wir in Verbindung mit der Entdeckung und Ausgrabung der Toröffnung gewonnen haben.« Diese aufsehenerregende Ausgrabung war vor zehn Jahren von Tummuscheit und Witte gemeinsam durchgeführt worden.
Wie alt die entdeckten Wagenspuren genau sind, sollen laut Witte nun weitere Untersuchungen zeigen: »Bei der damaligen Ausgrabung der Fahrbahn im Tor haben wir naturwissenschaftlich datierbares Material entdeckt, das bis ins 10. Jahrhundert, und damit in die Wikingerzeit, zurückreicht. Die aktuellen Spuren liegen teilweise unter Fundamenten des Krugs vom Ende des 17. Jahrhunderts, und einige von ihnen müssen daher vor dem entstanden sein. Da in den Spuren Ziegelstücke enthalten sind, sind sie aber wohl nicht älter als Mitte des 12. Jahrhunderts. Die genaueren Analysen werden hoffentlich Anhaltspunkte dafür liefern, in welcher Zeit Menschen und Tiere diese Spur hinterlassen haben«, so Witte.
Weitere Befunde
Seit Beginn der aktuellen Ausgrabung am 2. Mai 2022 haben die Archäologinnen und ihr Team sich unter anderem durch die Fundamente von zwei Gebäuden gearbeitet – einem ehemaligen Bauernhaus von 1836, das zuletzt das Danevirke Museum beherbergte, und der Gastwirtschaft Rothenkrug, deren Grundmauern ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammten. Insbesondere unter dem Rothenkrug wurden dabei zahlreiche Funde gemacht, vor allem massive Steinfundamente aus früheren Zeiten. Die Untersuchung hat ergeben, dass an diesem Ort vier verschiedene Gebäude standen, die im 17. Jahrhundert, um 1800 und 1962 abgebrannt sind. Außerdem wurden u. a. Siedlungsabfälle aus dem 17.-18. Jahrhundert gefunden, darunter hochwertige Glaswaren, Keramik, Fensterglas, Münzen, Reste von Tabakpfeifen, Tierknochen und große Mengen von Austernschalen. »Die Befunde sprechen dafür, dass es sich hier ein gesellschaftlich hoch stehendes Publikum gut gehen ließ. Dies entspricht auch dem, was wir aus den weniger historischen Quellen über den Ort wissen. Auch in den Jahrhunderten, in denen das Danewerk über weite Strecken keine militärische Bedeutung hatte, ist dieser Ort am Ochsenweg ein besonderer gewesen«, sagt Astrid Tummuscheit.
Die erste Erwähnung einer Gastwirtschaft vor Ort findet sich in historischen Quellen in Verbindung mit einer Übertragung von Grundstücken. Im 17. Jahrhundert soll der Rothenkrug auch als Jagdschloss und fürstliches Lusthaus gedient haben. So ist u. a. überliefert, dass der Herzog von Gottorf hier mit dem dänischen König Christian IV. geweilt haben soll. Bis 1766 hat der Rothenkrug auch als Poststelle für die Region Schleswig, darunter auch den fürstlichen Hof von Gottorf, gedient. Außerdem soll an dieser Stelle im 18. Jahrhundert eine Zollstelle mit Schlagbaum für die großen Ochsendriften gewesen sein, die dem Ochsenweg seinen Namen gegeben haben.
Hintergrund
Im Mai startete das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) in Zusammenarbeit mit dem Museum Sønderjylland die größte archäologische Ausgrabung, die jemals am Danewerk durchgeführt wurde. Auf einer Fläche von rund 2000 Quadratmetern in der Gemeinde Dannewerk bei Schleswig wurde nach Spuren aus dem Mittelalter und der Neuzeit gesucht. Der Standort grenzt unmittelbar an eine bedeutende Stelle des UNESCO-Welterbes Haithabu und Danewerk. Er liegt unmittelbar am heutigen Ochsenweg und vor der historischen Toröffnung, die im Mittelalter über viele Jahrhunderte den Durchlass durch die Grenzanlage regelte, und gehört damit zu den geschichtsträchtigsten Orten im Land.
Die Grabung von Mai bis September 2022 ist möglich geworden, weil der Sydslesvigsk Forening (SSF) auf der Fläche in den kommenden Jahren ein neues Museumsgebäude errichten möchte. Da der Neubau tief und großflächig in den Boden eingreift, ist eine umfangreiche archäologische Untersuchung des Untergrunds erforderlich, die das ALSH gemeinsam mit dem Museum Sønderjylland durchführt. Die Öffentlichkeit wird regelmäßig im Grabungsblog archaeologie.haithabu-danewerk.de über den Fortgang informiert.
Das Danewerk ist das größte Bodendenkmal Nordeuropas. Es ist ein System aus Wällen, Mauern und Gräben über eine Gesamtlänge von rund 30 Kilometern. Das Danewerk wurde vermutlich im 5. Jahrhundert von den Danen angelegt, um die Südgrenze ihres Territoriums zu markieren. Die Anlage wurde danach bis ins 12. Jahrhundert mehrfach ausgebaut und verstärkt. Zuletzt wurde sie im deutsch-dänischen Krieg von 1864 und im Zweiten Weltkrieg reaktiviert. Seit Juni 2018 ist das Danewerk gemeinsam mit Haithabu UNESCO-Welterbe.
Der Ochsenweg (auch als Heerweg bezeichnet) ist eine historisch bedeutende Nord-Süd-Route über die jütische Halbinsel vom dänischen Viborg nach Wedel bei Hamburg. Im Frühmittelalter wurde der Heerweg durch die Befestigungen des Danewerks kontrolliert. Er führte durch das archäologisch belegte Tor im Hauptwall des Danewerks im Archäologischen Park beim Danevirke Museum. Der Ochsenweg wurde vermutlich bereits seit der Steinzeit genutzt, was anhand zahlreicher Hügelgräber entlang des Weges deutlich wird. Mit dem Beginn des Fernhandels von Ochsen im 15. Jahrhundert von Dänemark nach Lübeck, Hamburg und Wedel trugen zahlreiche Wege den Namen Ochsenweg und werden auch heute noch so genannt.
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