Grabungsfunde aus dem Konzentrationslager Flossenbürg vorgestellt
Bayerische Archäologen und Archäologinnen haben bei Ausgrabungsarbeiten für den geplanten Neubau der Bundesautobahn A94 im Bereich des zum Konzentrationslager Flossenbürg gehörenden Außenlagers Kirchham ein ergreifendes Stück Geschichte entdeckt. In der Verfüllung eines Abflusses fand das Team ein Zigarettenetui aus Aluminium mit einer aufwändigen Verzierung. Auf der Oberfläche ist in kyrillischen Buchstaben der Frauenname »Tasja« eingraviert, was das Team zu der Frage veranlasst, ob es sich um das Geschenk eines Familienmitglieds eines der 400 KZ-Häftlinge handelt. Das Zigarettenetui ist nur einer von vielen Funden aus der Ausgrabung der bisher größten Außenlagerbaustelle des KZ Flossenbürg. Die Funde werden von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg übernommen und sollen der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich gemacht werden.
Die Ausgrabung des Geländes gibt einen Einblick in den Alltag von Tätern und Opfern. Alltagsgegenstände wie Bier- und Mineralwasserflaschen, Uniformknöpfe, Zahnpastatuben und Porzellanscherben zeugen vom Alltag der Täter, während NS-Orden die damalige NS-Ideologie widerspiegeln. Die Ausgrabung förderte auch persönliche Habe und Gebrauchsgegenstände der Gefangenen zutage, darunter Reste von Lederschuhen, eine sorgfältig gestanzte Blechdose und das gravierte Zigarettenetui. Röntgenaufnahmen zeigen, dass es ursprünglich maschinell ohne Dekor hergestellt wurde. Das Zierwerk wurde aufwändig hinzugefügt. Das Grabungsteam konnte auch Reste von zehn Gebäuden freilegen: etwa von der Entlausungsstation und der Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren.
Baumaßnahmen wie die an der A94 reißen auch weniger bekannte Orte der NS-Verbrechen aus dem Vergessen und rücken diese junge Zeitschicht in den Blickpunkt der Bodendenkmalpflege. Für die Mitarbeiter im Landesamt bedeutet das, dass sie sich als Bodendenkmalpfleger und Archäologen in einem Spannungsfeld zwischen Dokumentieren, Forschen und Gedenken bewegen.
Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege
Zwangsarbeit und Vernichtung
Ähnlich anderer großer Vernichtungs- und Konzentrationslager der Nationalsozialisten, wurde das in der Oberpfalz gelegene KZ-Hauptlager Flossenbürg ab 1942 zur Zentrale eines weit verzweigten Lagersystems. Das südlichste der annähernd 80 Außenlager des KZ Flossenbürg war das bei Pocking. 1942 als Lager für sowjetische Kriegsgefangene errichtet, wurden dort ab 6. März 1945 in einem abgetrennten Bereich 400 KZ-Häftlinge interniert. Sie erreichten das KZ-Außenlager Pocking auf unmenschliche Weise in Bahnwaggons und auf Todesmärschen aus östlicher gelegenen Lagern. Sie wurden zu Bauarbeiten am Bahnhof und für die Rollbahn des Fliegerhorsts Waldstadt gezwungen. Ein Viertel von ihnen starb, vor allem an Krankheiten und der katastrophalen Unterernährung. Das Lager wurde am 2. Mai 1945 durch amerikanische Truppen befreit.
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