Forschungen in der größten ottonischen Burg Sachsen-Anhalts
Auf einem steil aufragenden Bergsporn befestigen mehrfach gestaffelte, bis zu 10 Meter hohe Wälle sowie Grabenanlagen ein Terrain von fast 850 Meter Längsausdehnung und bis zu 210 Meter Breite. Die Innenfläche der Altenburg umfasste somit über 15 Hektar. Die gewaltigen Ausmaße dieser Wallburg und ihre prominente Position über der Unstrut gaben immer wieder Anlass zu Hypothesen über ihre historische Bedeutung, die beträchtlich gewesen sein muss.
So wurden hier unter anderem der Sitz der Thüringerkönige vor 531 sowie die Befestigung des Thüringerherzogs Radulf bei seinem kriegerischen Konflikt mit den fränkischen Merowingern Anfang der 640er Jahre gesucht. Besondere Fragen wirft die Altenburg jedoch wegen ihrer Lage unfern von Memleben auf – jenem Ort, an dem zwei berühmte Herrscher der Ottonendynastie starben: 936 der erste ostfränkische König, Heinrich I., der Vogler, und 973 sein Sohn, der römische Kaiser Otto I., der Große. Der genaue Standort der Königspfalz, in der dies geschah, ist bislang nicht lokalisiert. Die im heutigen Memleben erhaltenen historischen Bauten gehen auf ein Kloster zurück, das Kaiser Otto II. und seine Frau, Kaiserin Theophanu, kurz vor 979 stifteten. Relikte der Palastanlage fehlen dort völlig. Daher wurde sogar vermutet, dass diese auf der nur 2,5 Kilometer vom Kloster Memleben entfernten Altenburg gelegen haben könnte. Alle diese Überlegungen mussten jedoch vage bleiben, da es fast keine archäologischen Kenntnisse zu der mysteriösen Großburg gab.
Das ottonische Macht- und Herrschaftszentrum bei Memleben ist bereits seit einigen Jahren Gegenstand ausgedehnter Forschungen des LDA. Erstmals steht nun auch die Altenburg im Fokus der Untersuchungen. Insbesondere geophysikalische Prospektionen und Ausgrabungen erbringen wichtige, zugleich aber auch überraschende Ergebnisse. Die Altenburg geht demnach mit ihren wesentlichen Befestigungselementen in ottonische Zeit zurück. In ihrem Inneren weisen Grubenhäuser, Feuerstellen, Vorratsgruben, Stein- und Lehmkuppelöfen, Pfostenlöcher sowie charakteristische Funde – Keramik, Tierknochen, Metallobjekte wie Schnallen, Lanzenteile, Messer und ein Reitersporn – auf eine nicht allzu lange, aber durchaus intensive Besiedlung hin, die in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts einsetzte und vor der Jahrtausendwende endete. Einige vor- und frühgeschichtliche Funde seit der Jungsteinzeit bezeugen vorangehende Aktivitäten an der auch verkehrsgeographisch wichtigen Örtlichkeit. Insbesondere deckten die Ausgrabungen aber auf, dass es sich bei der Befestigung der zentralen Burganlage nicht um einen zeittypischen Holz-Erde-Wall mit Trockenmauerfront handelte, sondern dass hier vor gut 1100 Jahren eine imposante freistehende Mörtelmauer errichtet worden war, die sich im Waldboden exzellent erhalten hat: Die über 900 Meter lange, bis zu 2,3 Meter breite und noch bis zu 1,6 Meter Höhe erhaltene – ursprünglich wohl 3 bis 5 Meter hohe – Mauer war eine gigantische Bauleistung, an der Hunderte von Menschen über viele Monate gearbeitet haben müssen. Sie gehört nicht nur zu den ältesten profanen Mörtel-Steinbauten Mitteldeutschlands, sondern umgab im weiten Umkreis auch die stärkste Burg dieser Art. Ungeklärt ist bislang, von wem und zu welchem Zweck dieser ungeheure Aufwand betrieben wurde. Dasselbe gilt zunächst weiterhin für die Frage, ob die Altenburg mit der Pfalz Memleben zu identifizieren ist. Die kolossalen Ausmaße der Wehranlage und der Mörtelmauer – die Vergleiche im 10. Jahrhundert nur bei den wichtigsten Burgen und Pfalzen findet – scheinen dies anzudeuten, doch lassen sich Palastbauten bisher nicht nachweisen. Allerdings gehörten zu Pfalzen häufig nahegelegene, diese beschirmende Burgen, und in diesem Sinne war die Altenburg gewiss ein zentrales Element des ottonischen Herrschaftszentrums Memleben. Diesem kam in ottonischer Zeit offensichtlich eine viel größere Relevanz zu als man bisher annahm.
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff zeigte sich bei seinem Besuch der Altenburg beeindruckt und betonte: »Bereits die heute präsentierten Ausgrabungsergebnisse machen deutlich, dass die Altenburg ein weiterer Ort in Sachsen-Anhalt ist, der für die Ottonen von herausragender Bedeutung war. Dies unterstreicht einmal mehr die Schlüsselrolle unserer Region für die Geschichte Europas.«
Die Ausgrabungen auf dem Gelände der Altenburg unter Leitung von Prof. Dr. Felix Biermann begannen am 20. Juni 2022 und werden noch bis Mitte August 2022 fortgeführt. Die laufenden Forschungen lassen weitere aufschlussreiche Erkenntnisse über diese faszinierende ottonische Burganlage erwarten.
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