Fachtagung zur latènezeitlichen Eisenwirtschaft im Siegerland
Das Siegerland gehört zu den bedeutendsten Produktionsräumen des eisenzeitlichen Europas. Es verdankt seinen ausgedehnten Erzlagerstätten eine reiche Bergbau- und Hüttengeschichte, deren Anfänge bis in die Latènezeit zurückreichen. In der Region wurde besonders ab dem 3. Jh. v. Chr. bis zur Zeitenwende im großen Umfang Erz abgebaut und in den größten Verhüttungsöfen Europas jener Zeit Eisen gewonnen.
In einem mehr als 20-jährigen Projekt untersuchten Wissenschaftler des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, der LWL-Archäologie in Westfalen und der Ruhr-Universität Bochum die vorrömische Eisenzeit des Siegerlandes. Das Projekt wurde in drei Projektphasen u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Das Interesse galt besonders der Produktionskette vom Eisenerz bis zum Fertigprodukt als auch dem Wirtschaftsraum selbst und seiner Entwicklung. Hierbei umfassten die Forschungen großflächige Begehungen, geophysikalische Prospektionen und archäologische Grabungen ausgewählter Standorte. Ebenso wurden archäometallurgische Untersuchungen der Rückstände der Produktion und der Erzbasis sowie archäobotanische und geoarchäologische Analysen zur Rekonstruktion des Naturraumes durchgeführt. Diese Ergebnisse wurden am Donnerstag, dem 02. Mai 2024, auf einer Fachtagung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum präsentiert und diskutiert.
Neben zahlreichen keltischen Siedlungsplätzen im Siegerland gehört die Ausgrabungsstätte am »Gerhardsseifen« in Siegen-Niederschelden zu den herausragenden Ausgrabungsstätten der Region. An diesem Bach konnte eine vollständige Verhüttungswerkstatt aus der Mittel- bis Spätlatènezeit (300 v. u. Z. bis zur Zeitenwende) freigelegt werden. Die Fundstelle umfasst zwei kuppelförmige Verhüttungsöfen mit der dazugehörigen Schlackenhalde, eine Schmiedehalde, eine Röstgrube und Reste einer Bebauung. Erst im Kontext archäologischer Experimente zwischen 2018 und 2019 konnten die Forschenden den komplexen Vorgang der latènenzeitlichen Stahlherstellung rekonstruieren. Er reicht – stark vereinfacht – von der Aufbereitung des Roherzes über das Schmelzen bis hin zum Ausschmieden der Luppe (einem ‚Eisenschwamm«) von der Schlacke, um hochwertigen Stahl zu gewinnen. Für die vorzeitliche Verhüttungswerkstatt am »Gerhardsseifen« wurde dieser vollumfängliche, arbeitsteilige Stahlherstellungsprozess nachgewiesen.
Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen belegten ferner eine Nachnutzung der Produktionsstätte im Hochmittelalter. Mit deutlich ineffizienteren Öfen wurden zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert die noch vorhandenen latènezeitlichen Schlacken am »Gerhardsseifen« erneut verhüttet. Im 17. Jahrhundert überlagerten die Produktionsstätte aus vergangener Zeit wiederum zwei Kohlenmeiler, um Holzkohle herzustellen. Insgesamt wies die Ausgrabung eine montane Aktivität über drei Zeiträume am »Gerhardsseifen« nach.
»Die Fachtagung in unserem Hause hat erneut gezeigt, dass montanarchäologische Forschung in einem interdisziplinären Umfeld am ertragreichsten ist. Das ‚Siegerland-Projekt’ hat im hohen Maß vom gebündelten Wissen der Kooperation mehrerer Forschungseinrichtungen profitiert«, resümiert Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner, Wissenschaftliche Direktorin des Deutschen Bergbau-Museum Bochum – Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen.
»Der gute Erhaltungszustand der Überreste begünstigte die Erforschung der Fundstelle. Insgesamt erreichte die Ausgrabung einen immensen Erkenntnisgewinn für die Montan- und Technikgeschichte der vorrömischen Eisenzeit im Siegerland«, ergänzt Projektleiter Prof. Dr. Thomas Stöllner.
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