Evolutionspsychologe Robin Dunbar ist dritter HUMAN ROOTS AWARD Preisträger
»Robin Dunbars Arbeit inspiriert uns seit Jahrzehnten, wir sind sehr stolz darauf, ihn hier bei uns zu haben«, erklärt Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Leiterin von MONREPOS während ihrer Begrüßungsrede. »Im Laufe der Jahre haben wir hier in Monrepos nicht nur Robin Dunbars Forschung zigfach in unseren Aufsätzen und Büchern zitiert, sondern auch für die Gestaltung unserer Ausstellung genutzt.«
Seine Forschungen zum menschlichen Sozialverhalten berührten unseren inneren Kern. Sie seien durch die Frage nach »unserer Bedeutung als Menschen« relevant für viele Disziplinen, die sich der Erforschung des Menschen widmen, führt Gaudzinski-Windheuser fort. Die Pleistozäne Archäologie gebe dabei eine historische Perspektive auf die grundlegende Frage, was uns menschlich macht. »Nur wenn wir anerkennen, was uns menschlich macht, können wir nachhaltige politische Richtlinien für die anstehenden anspruchsvollen Aufgaben finden«.
Stabilen sozialen Kontakten sind Grenzen gesetzt
»Robin Dunbar schlägt in seiner gesamten wissenschaftlichen Arbeit Brücken zwischen den von ihm gelehrten Disziplinen, die viel mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Anthropologie, Psychologie und Biologie – alle in ihren evolutionären Perspektiven. Und der gemeinsame Nenner ist unsere menschliche Natur«, fasste Dr. Olaf Jöris, Archäologie in MONREPOS und Jurymitglied des HUMAN ROOTS AWARDS, Dunbars Wirken in seiner Laudatio zusammen. »Bei all seinen Forschungen war das Primatenhirn immer im Mittelpunkt. Es ist von größter Bedeutung für unsere menschlichen kognitiven sowie für unsere sozialen Fähigkeiten«.
Neben vielen anderen grundlegenden wissenschaftlichen Arbeiten, zähle Dunbars herausragende Erkenntnis, dass dem menschlichen Gehirn im Unterhalten von stabilen Sozialkontakten kognitive Grenzen gesetzt seien. So unterhalte jeder Mensch durchschnittlich etwa 150 stabile Beziehungen zu seinen Mitmenschen, die eine Art Grenze für das Verarbeiten des menschlichen Gehirns von Sozialkontakten darstellen würden.
»Diese Anzahl ist als »Dunbar-Zahl« bekannt«, erläutert Jöris weiter. »Die Dunbar-Zahl hat aber auch eine evolutionäre Perspektive: In den letzten 2 Millionen Jahren wuchs sie von etwa 80 auf 90 auf heute 150, in Koevolution mit der Größe des Gehirns. Dunbars Zahl gibt also ein quantitatives Maß für unsere kognitiven Grenzen in der sozialen Bindung an, während unsere kognitive Evolution sonst schwer zu skalieren ist.«
Richard Dawkins, Schirmherr des HUMAN ROOTS AWARDS konnte leider nicht persönlich zugegen sein, schickte aber in einer kurzen Videobotschaft herzliche Grüße aus Kalifornien und verkündete mit einem Augenzwinkern, dass Dunbar ehrenhalber auch als Archäologen bezeichnet werden könne.
Entwicklung menschlicher Sozialität
Im Zuge eines wissenschaftlichen Vortrags stellte Dunbar eindrücklich seine Forschungsergebnisse vor. Dabei beleuchtete er die verschiedenen Faktoren, die zur menschlichen Sozialität, wie wir sie heute kennen, beitrugen. Dies zeigte er anhand seiner Gehirnstudien an Primaten, frühen Menschen und Neandertalern. Er zeigte auf, dass Sozialkontakte vor allem ein Zeitfaktor, nicht unbedingt ein Energiefaktor sei und brachte das Publikum dazu zu reflektieren, wie es um die eigenen Sozialkontakte gestellt sei. Laut Dunbar spielte das Lagerfeuer eine wichtige Rolle für die sozialen Bindungen der frühen Menschen. So sei durch das schlechte Licht ein Impuls für die Sprachentwicklung gegeben worden.
»Der pleistozänen Archäologie muss eine Stimme gegeben werden«
Am Morgen nach der Preisverleihung trafen sich Expertinnen und Experten, um sich mit Dunbar im Zuge einer Frühstücksdebatte zum Thema »Prosoziales menschliches Verhalten« aus der Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen auszutauschen.
Zur Bedeutung des HUMAN ROOTS AWARDS für die Pleistozäne Archäologie schloss Gaudzinski-Windheuser: »So kann unsere Disziplin eine herausragende Rolle im integrativen Orchester der Disziplinen spielen, deren Studienobjekt der Mensch ist. Aber um dies zu archivieren, müssen wir der pleistozänen Archäologie eine Stimme geben, um die Bedeutung dessen, was wir tun, zu vermitteln: Wir müssen in engen Kontakt mit anderen Disziplinen treten. Und hier kommt der HUMAN ROOTS AWARD ins Spiel. Für uns hier in Monrepos sind der Preis und die damit verbundene Frühstücksdebatte Vehikel, um Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen, um über ausgewählte Themen zu sprechen und unsere spezifische archäologische Perspektive in bereits bestehende Narrative einzubringen.«
HUMAN ROOTS AWARD
Im Jahr 2017 rief das Archäologische Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS den HUMAN ROOTS AWARD ins Leben. Der internationale Archäologiepreis versteht sich als Brückenschlag zwischen den Wissenschaften. Er soll den interdisziplinären wissenschaftlichen Dialog fördern, um die archäologische Sichtweise auf die »Menschwerdung« mit der humanistischen Agenda des »Menschseins« zu verknüpfen. Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert und ehrt Archäologen oder Forscher anderer wissenschaftlicher Disziplinen für bahnbrechende Beiträge zum Verständnis der menschlichen Verhaltensevolution.
Nach dem Tod von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, einem der Gründerväter der Humanethologie und Schirmherr des ersten HUMAN ROOTS AWARD, obliegt seit 2018 dem Oxforder Evolutionsbiologen Richard Dawkins die Schirmherrschaft. Dawkins war erster Preisträger im Jahr 2017; 2018 wurde Steven Pinker von der Harvard Universität (USA), Experimentalpsychologe, Kognitionswissenschaftler und Linguist, mit dem HUMAN ROOTS AWARD geehrt.
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