Eine der größten frühmittelalterlichen Siedlungen Deutschlands

Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) gelang in Bonn die Freilegung einer der bislang größten bekannten frühmittelalterlichen Siedlungen in Deutschland. In mehreren umfangreichen Grabungen wurden seit 2007 auf dem insgesamt über 17 Hektar großen, neuzeitlich nicht überbauten Areal 94 Gebäudegrundrisse ausgegraben. Das umfangreiche Fundmaterial belegt den ländlichen Charakter der Siedlung mit Handwerkern und Bauern.

Gehöfte der Siedlung
Etwa so sahen die Gehöfte der Siedlung aus. (Zeichnung: Friederike Hilscher-Ehlert / LVR)

Seit 2007 sind Grabungsteams des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland im rechtsrheinischen Bonner Stadtgebiet zwischen Vilich-Müldorf und Pützchen-Bechlinghoven beiderseits der Bundesstraße 56 aktiv. Die archäologischen Arbeiten auf den insgesamt rund 17 Hektar großen Flächen werden durch die landeseigene Stadtentwicklungsgesellschaft NRW.URBAN finanziell unterstützt, die das Areal für Wohnbebauung erschließt.

Unter der unscheinbaren Ackerfläche bei Bechlinghoven lagen die spannenden Reste von über 2000 Jahren Geschichte. Den Grabungsteams des LVR gelang die fast vollflächige Untersuchung eine der größten bekannten merowingerzeitlichen Siedlungen Deutschlands.

Eine derartig hohe Anzahl von Gruben- und Langhäusern konnte hier erstmals dokumentiert werden. Im Rheinland wurden bereits etliche fränkische Gräberfelder archäologisch untersucht, Siedlungen hingegen sind eine Rarität, wobei meist nur Abschnitte erfasst wurden. Durch die Grabungen in Bechlinghoven mit umfangreichem Fundmaterial kann die Archäologie Lücken in der Siedlungsgeschichte schließen und Siedlungsstrukturen, Bauweise sowie die Siedlungsentwicklung über mehrere Jahrhunderte auswerten. In den Grubenhäusern konnten die Reste von Textilhandwerk wie Spinnen und Weben nachgewiesen werden. Regelmäßig fanden sich auch kleinere Öfen zum Backen.

In der vorangegangenen römischen Periode war das Gelände bereits als Manöverplatz genutzt worden. Das Grabungsteam des LVR hat zwei Übungslager des römischen Militärs umfassend ausgraben und genau bestimmen können. Insbesondere in Feldzügen legten die Truppen zu ihrem Schutz Marschlager mit Wall und Graben an. Typisch sind die rechteckige Form mit abgerundeten Ecken, die mit der Form einer Spielkarte zu vergleichen ist, das V-förmige Profil der Gräben und die nach innen gezogenen Wallenden an den Toren. Damit der Bau eines Lagers im Ernstfall schnell und zuverlässig klappte, mussten die Soldaten die Erdbewegung – das Schanzen – regelmäßig trainieren. Übungslager sind daran zu erkennen, dass sie im Inneren vollkommen unbebaut waren, so auch bei den beiden in Bechlinghoven. Sie weisen nicht nur vorbildlich ausgehobene Spitzgräben auf, zum ersten Mal im Rheinland bezeugen zahlreiche in den Gräben gefundene Steinkugeln Angriffsübungen im Bereich der Tore.

Auch nach der merowingischen Epoche blieb der Platz für die Menschen attraktiv: Beeindruckend und noch sichtbar sind die eingestürzten Mauern eines hochmittelalterlichen Hauses, die in dessen ehemaligem Keller liegen. Das Gebäude gehörte zu einer Hofanlage, von der das LVR-Team in den vergangenen Monaten einige Gebäude untersuchen konnte. Warum die Siedlung aufgegeben wurde, bleibt für die Archäologen vorerst ein Rätsel.

 

Geschosskugeln
Diese Geschosskugeln wurden auf der Grabensohle eines römischen Übungslagers gefunden. (Foto: Gary White / LVR)
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