Die Grabkammer des verschwundenen Grabhügels - neue Erkenntnisse vom »Bornhöck«
In den Jahren 2014 bis 2017 wurde durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Rahmen einer Lehr- und Forschungsgrabung in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg der Innenbereich des frühbronzezeitlichen Großgrabhügels »Bornhöck« bei Dieskau (Gemeinde Schkopau-Raßnitz, Saalekreis) vollständig freigelegt und untersucht. Die Arbeiten im Gelände erbrachten Jahr für Jahr faszinierende und wissenschaftlich höchst bedeutende Ergebnisse, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass der Grabhügel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerstört worden und vor der Ausgrabung nur mit Hilfe von Luftbildern wiederzuentdecken war. So handelte es sich bei dem gewaltigen Hügel von ursprünglich insgesamt 65 m Durchmesser und ca. 13 m Höhe um das größte bekannte »Fürstengrab« der frühen Bronzezeit (2.300–1.600 v. Chr.) in Mitteleuropa. Die hölzerne Grabkammer im Zentrum des Hügels, die bereits im Mittelalter (ca. 1200 n. Chr.) erstmalig beraubt wurde, war die Grablege eines mächtigen, wenn nicht des mächtigsten »Fürsten« der sog. Aunjetitzer Kultur, in dessen Umfeld möglicherweise auch der bedeutendste Fund aus dieser Zeit, die Himmelsscheibe von Nebra, entstanden ist. Vieles deutet darüber hinaus darauf hin, dass ein anderer höchst bedeutender Fundkomplex, die außergewöhnlichen Goldobjekte des »Hortes von Dieskau«, beim Abtragen des Bornhöck im 19. Jahrhundert gefunden worden sind.
Die gewaltige hölzerne Grabkammer wurde von einem Steinhügel mit einem Durchmesser von 18,5 m überdeckt, für dessen Errichtung schwere Sandstein- und Porphyrblöcke aus mindestens 8 Kilometern Entfernung antransportiert worden waren. Eine in Mitteleuropa einzigartige Besonderheit sind die Fahrspuren der Wagen zum Transport der Steine, die über eine Strecke von 35 m im Bereich des Grabhügels nachweisbar waren. Den Steinkern wiederum überdeckte ein Erdhügel von 65 m Durchmesser, für dessen Aufschüttung ca. 20.000 m³ fruchtbarer Schwarzerde herangeschafft werden mussten. Diese war stark durchsetzt mit tausenden Scherben und Tierknochen – offensichtlich hatte man bewusst einen Siedlungsbereich abgetragen. Alle Indizien deuten derzeit darauf hin, dass der »Bornhöck« etwas später entstand als die fast baugleichen, aber kleineren Fürstengrabhügel von Leubingen (1942 v. Chr.) und Helmsdorf (1829 v. Chr.).
Aufgrund dieser Grabungsergebnisse sowie der Bedeutung des Bornhöck für die Erforschung der Zeit der Himmelsscheibe fiel Ende des Jahres 2017 die Entscheidung, die Überreste der zentralen Grabkammer im Block zu bergen und sie zur weiteren Untersuchung in die Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle zu bringen. Aufgrund der gewaltigen Ausmaße der Grabkammer musste der Erdblock von 7,5 m x 4,0 m x 0,9 m in drei einzelnen Blöcken gehoben und transportiert werden, die jeweils 25 Tonnen wogen. Obwohl aufgrund der Beraubung im Mittelalter und der Zerstörung des Hügels im 19. Jahrhundert vom Inhalt der Kammer nichts und von der Kammer selbst fast nichts mehr vorhanden war, ermöglichten es die Blockbergung und die Freilegung der sensiblen Reste unter Werkstattbedingungen, viele neue und außergewöhnliche Details zur Konstruktionsweise der Kammer zu erkennen. Dies gelang insbesondere aufgrund der Analyse von botanischen Makroresten und der Identifizierung von Holzabdrücken im Boden. Die Querschnitte der verwendeten Hölzer lassen sich vielfach zentimetergenau nachzeichnen. So kann das Aussehen der Kammer weitgehend rekonstruiert werden.
Die außen ca. 5,8 m x 3,5 m große Grabkammer wies Innenmaße von 5,3 m x 2,7 m auf und war mindestens 2,5 m hoch. Drei Pfosten, deren riesige Standspuren bereits bei der Ausgrabung im Gelände deutlich erkennbar waren, trugen den Firstbalken des dachförmigen Aufbaus. Die Giebelwände bestanden aus vertikal gestellten Eichenbohlen, während die schrägen Längswände von je neun bzw. zehn halbierten Eichenstämmen mit bis zu 65 cm Durchmesser gebildet wurden. Die Lücken zwischen den Balken waren mit Ton abgedichtet. Mit Hilfe von archäobotanischen Analysen konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass die Kammer mit Schilf abgedeckt war.
Damit entsprach der Aufbau der Grabkammer im Wesentlichen demjenigen der Grabkammer des Fürstengrabes von Leubingen, dessen Nachbildung in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte zu sehen ist. Allerdings war die Grabkammer vom Bornhöck deutlich größer und benötigte daher die nun nachgewiesene massive Stützkonstruktion. Dieses Ergebnis ist von außerordentlicher Bedeutung, belegt es doch, dass der Bornhöck von Anfang an als Riesenhügel geplant war und nicht erst durch Jahrhunderte währendes Nachbestatten auf seine enorme Größe angewachsen ist. Der hier bestattete Herrscher verkörperte eine Macht und einen Rang, die diejenigen der Leubinger und Helmsdorfer Fürsten offenbar um ein mehrfaches übertrafen. Mit dem Bornhöck wurde also nach mehr als 110 bzw. 140 Jahren das dritte gesicherte Fürstengrab Mitteldeutschlands aus der Zeit und dem kulturellen Kontext der Himmelsscheibe von Nebra entdeckt. Zugleich handelt es sich um das größte bekannte Herrschergrab der frühen Bronzezeit in Mittel- und Nordeuropa.
Zum vorläufigen Abschluss der Erforschung des Bornhöck sind in Zukunft noch verschiedene naturwissenschaftliche Analysen geplant, wie die detaillierte Analyse von mehreren Hundert botanischen und mineralischen Proben und die 14C-Datierung von Holzresten. Daneben soll untersucht werden, ob mit Hilfe der Metallionenanalyse der indirekte Nachweis von Metallbeigaben erbracht werden kann. Auch eine digitale dreidimensionale Rekonstruktion der Grabkammer soll entstehen.
Über die Untersuchungsergebnisse, die bis zur Blockbergung Ende des vergangenen Jahres erzielt werden konnten, können sich alle Interessierten ab heute mit Hilfe eines Dokumentarfilms informieren, der im Auftrag des LDA Sachsen-Anhalt entstand: Der Film »Bornhöck – Auf der Suche nach dem Herrn der Himmelsscheibe« lässt die an der Untersuchung des Großgrabhügels beteiligten Archäologen zu Wort kommen, fasst die bis Ende 2017 gewonnenen Erkenntnisse zu seiner Gestalt und Bedeutung zusammen und vermittelt sie anschaulich mit Hilfe von eindrucksvollen Bildern.
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