Den Geheimnissen des Klosters Memleben und des Sterbeorts Heinrichs I. auf der Spur
Seit 2017 widmen sich archäologische Lehr- und Forschungsgrabungen der ehemaligen Kaiserpfalz und dem von Otto II. gegründeten reichen Benediktinerkloster in Memleben (Burgenlandkreis). Die diesjährigen Untersuchungen galten mit dem Vorgängerbau der Memorialkirche der Ottonen den schlecht erhaltenen Überresten des bislang ältesten Baukörpers des 10. Jahrhunderts. Bei dem untersuchten Gebäude handelt es sich vermutlich um die Kirche, die Ort der Aufbettung und des Todes Heinrichs I. sowie der Designation Ottos I. zu seinem Nachfolger gewesen sein dürfte.
Unter Beteiligung von Studierenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) sowie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau erfolgten zwischen dem 22. Juli und dem 16. August 2024 mit Unterstützung der Stiftung Kloster und Kaiserpfalz Memleben erneut Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt im Kloster Memleben. Ziel war die weitere Untersuchung eines systematisch abgebrochenen und durch den Neubau der Memorialkirche der Ottonen ersetzten Vorgängerbaus, der als authentischer Aufenthaltsort von Heinrich I. und Otto I. wohl in engem Bezug zum Ableben der beiden Herrscher in Memleben steht.
Aktuelle Ergebnisse des Jahres 2024
Die diesjährigen Ausgrabungen im Klostergarten nahmen den bislang ältesten Baukörper des 10. Jahrhunderts in den Fokus. Das bereits erschlossene massive Geröllpflaster konnte weiter nachverfolgt werden – auf der Suche nach den Gebäudeumrissen und besonders dessen östlichen Abschlusses. Die Nordwand des Gebäudes erwies sich als vom südwestlichen Turm der Kirche des 13. Jahrhundert überbaut. Offenbar nutzte man das Fundament als tragfähigen Baugrund.
Mit dem Abbruch der Türme barg man die Steine soweit, dass auch der ottonenzeitliche Bestand abgetragen wurde. Die mit Mörtel- und Bauschutt verfüllte Entnahmegrube greift in den Fußbodenunterbau des Bauwerks aus dem 10. Jahrhundert ein. Dieser erhielt sich in einem breiten Streifen inklusive der Estrichreste, da er südlich der Kirche des 13. Jahrhundert eine lange spätmittelalterliche Mauer das Kloster einfasste, deren Steine erst in der Neuzeit zur Wiederverwertung abgetragen wurden. Es verblieben der ebenfalls schuttverfüllte Fundamentgraben sowie beidseitig der Mauer angelagerte Reste einer Brandzerstörung, die zahlreiche Bronzefragmente sowie Blei von Fensterverglasungen enthielten.
Vom östlichen Gebäudeabschluss fand sich eine Standspur auf dem mit einer Steinstockung planierten Baugrund, an der sich der Estrich des Innenraums anlagerte – offenbar etwas vom Verlauf der Nordwand nach innen eingerückt. Im Estrich eingebundene Werk- und Bruchsteine deuten eine räumliche Trennung an, so dass man von einem eingezogenen Anbau am Ostende des rechteckigen Baukörpers ausgehen kann. Südlich der spätmittelalterlichen Mauer erfolgten jedoch wiederholt bis in die Frühe Neuzeit Bodeneingriffe, die den Baukörper stark beeinträchtigten. Letztlich verblieb hier nur der planierte und mit Geröll verfestigte Baugrund in situ, überlagert von mehreren Lagen kleinteiligen Steinbruchs, die beim Mauerabbruch und der Zurichtung der Steine für die Wiederverwendung anfielen.
Bemerkenswert ist ein holzkohlehaltiger Brandhorizont unmittelbar unter der Steinstockung des Baugrunds, der eine nähere naturwissenschaftliche Datierung erhoffen lässt. Ob es sich um die Bereinigung des Areals durch Brandrodung oder die Feuerzerstörung eines hölzernen Vorgängerbaus handelt, ist noch nicht abschließend zu beantworten. Auf letzteres deutet ein Pfostenloch mit Steinverkeilung, das in einer tiefergreifenden Sondage erfasst werden konnte.
Zum ottonischen Baukörper gehört eine große Steinplatte, die sich unterhalb der spätmittelalterlichen Überbauung des Zugriffs zur Baustoffgewinnung entzog. Von weiteren Platten blieben nur Negativabdrücke erhalten, die jedoch eine zentral im östlichen Bereich des Innenraums gelegene, geschlossene massive Steinfläche nachzeichnen. Damit ist – im Zusammenhang mit der 2023 erschlossen einzigen Bestattung im Inneren des Gebäudes und den an der Nordwand entsprechend dieser ausgerichteten Gräber nun von einem Sakralbau und bei der Steinplatte vom Rest des Unterbaus für einen Altar auszugehen.
Bei dem untersuchten Baukörper handelt es sich somit wohl um eine Kirche, die Ort der Aufbettung und des Todes Heinrichs I. sowie der Designation Ottos I. zum Nachfolger gewesen sein dürfte. Dass die eher schlichte, dennoch vorbildhaft bereits in Steinbauweise ausgeführte Pfalzkirche prächtigeren Kirchenbauten des Reichsklosters wich, verwundert nicht. Die Selbstdarstellung des Herrscherhauses, speziell unter Otto II. und seiner Gattin Theophanu, erforderte angemessen großzügige Neubauten. Der ältere Baubestand war vergleichsweise schlicht und wurde nahezu vollständig abgetragen. Allein systematische archäologische Untersuchungen ermöglichen heute ihren Nachweis und damit die Lokalisierung zentraler Bestandteile der Pfalz Memleben, deren gewaltige Dimension erst durch die jüngsten Untersuchungen des LDA Sachsen-Anhalt begreiflich wird.
Historischer Hintergrund
Das einstige Kloster Memleben zählt zu den bedeutendsten Stätten an der Straße der Romanik. Gemeinsam mit weiteren, im Rahmen systematischer landschaftsarchäologischer Untersuchungen in unmittelbarer Nachbarschaft erschlossenen Wüstungen und Befestigungen bildet es aktuell einen Fokus der Forschungen des LDA Sachsen-Anhalt zur Ottonenzeit. Darüber hinaus gilt die Ruine der Klosterkirche St. Maria aus dem 13. Jahrhundert mit ihrer Krypta als herausragendes Bauwerk am Übergang von Spätromanik zu Frühgotik und unterstreicht als tradierter Memorialort die historische Bedeutung des Ortes: Der Begründer des Heiligen Römischen Reiches, Kaiser Otto I., verstarb 973 wie sein Vater Heinrich I. im Jahr 936 in Memleben. Otto II. und seine Gemahlin Theophanu stifteten ihnen zu Ehren ein reich ausgestattetes, erstmals 979 erwähntes, und im Ottonenreich bedeutendes Benediktinerkloster. Zwar verlor es 1015 seine Eigenständigkeit an das osthessische Benediktinerkloster Hersfeld, blieb jedoch Erinnerungsort an das Herrscherhaus, der unter Heinrich IV. eine Aufwertung erfuhr und als Konvent Bestand hatte.
Rückblick: Untersuchungsergebnisse der Jahre 2021 bis 2023 zur Monumentalkirche Ottos II. und Entdeckung eines Vorgängerbaus
In den letzten Jahren konnten wesentliche offene Fragen zur Bau- und Nutzungsgeschichte des gewaltigen, mit der Klostergründung Ottos II. einhergehenden, 82 Meter langen und 39,5 Meter breiten Kirchenbaus geklärt werden. Das monumentale, für seine Zeit im mitteldeutschen Raum einzigartige Projekt der dreischiffigen Basilika vom Rang erzbischöflicher Bauten in Köln oder Trier wurde in mehreren, qualitativ sehr unterschiedlichen Bauabschnitten fertig gestellt. Bis ins 13. Jahrhundert wurde hier bestattet, dann jedoch wich der Bau einer neuen, heute noch als Ruine erhaltenen Kirche mit dreischiffiger Hallenkrypta sowie einer in der Frühen Neuzeit vielfältig überprägten Klausur.
Die große Basilika diente dabei als Baumaterialquelle und erst punktuelle archäologische Untersuchungen im Laufe des 20. Jahrhunderts ermöglichten, ihren Umriss zu rekonstruieren. Zuletzt wurden der Friedhof im Bereich um die nordöstliche Nebenapsis, das Kreuzgangareal des 10./11. Jahrhunderts am nördlichen Seitenschiff sowie die Anbindung des Seitenschiffes und des Kreuzgangs am westlichen Querhaus untersucht. Im Kreuzgangzentrum fand sich eine große, zur Entnahme von Baumaterial angelegte Grube, die noch den Unterbau eines West-Ost-orientierten rechteckigen Fundaments für einen Baukörper aus aufwändig bearbeiteten Werksteinen enthielt. Im ausgehenden 14. Jahrhundert abgebrochen, ist dieser bislang ohne Vergleich in anderen Kirchenbauten.
Da nach der Chronik Thietmars von Merseburg aus dem beginnenden 11. Jahrhundert die Eingeweide Ottos des Großen in der Nacht nach seinem Tode in der Memlebener Marienkirche beigesetzt wurden (einem Vorgängerbau zur Monumentalkirche), kann es sich um einen Standort der Umbettung des Herzens Ottos handeln – oder um den Rest einer Tumba (Grabmal) einer hochrangigen Persönlichkeit. Unmittelbar an der nördlichen Nebenapsis der Monumentalkirche ließen sich zudem Fundamentreste eines vor der Errichtung des existierenden steinernen, im Innenraum 9,20 Meter breiten Bauwerks in Ost-West-Ausrichtung nachweisen. Die architektonischen Reste, tatsächlich die ersten aus der Zeit Heinrichs I. und Ottos des Großen wurden 2023 soweit untersucht, wie es das Grabungsareal westlich vor dem aktuellen Klostergarten und der Straßenführung im Kloster zuließ. An der Westseite wurden klar umrissene Fundamentgruben mit Spuren vermörtelten Bruchsteinmauerwerks aufgedeckt, die auf zwei mittig liegende Portale hinwiesen.
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