Blamabler Verlust: Steinzeitliche Einbäume verrottet

7.000 Jahre lang waren sie im feuchten Boden bei Stralsund konserviert geblieben, doch bereits zwei Jahre nach ihrer Bergung im Sommer 2002 waren die ältesten Wasserfahrzeuge des Ostseeraums zum größten Teil zerfallen. Bekannt wurde dies erst Anfang der Woche, als die Hansestadt sich beim Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin nach dem Verbleib der Einbäume erkundigte. Sie sollten in der Nähe des im letzten Sommer eröffneten Deutschen Meeresmuseum öffentlich ausgestellt werden.

Anstatt die fragilen Holzfunde den in solchen Fällen üblichen Konservierungsmaßnahmen zu unterziehen, wurden sie in einem baufälligen Lagergebäude einfach abgestellt. Das Gebäude war bereits in einem so maroden Zustand, dass es 2004 teilweise einstürzte und das, was bis dahin noch von den Funden übrig war, unter sich begrub. Viel war das ohnehin nicht mehr, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Wasserfahrzeuge schon zu einem großen Teil verrottet.

Das Kulturhistorische Museum in Stralsund habe in regelmäßigen Abständen nach dem Zustand der Einbäume gefragt, sei jedoch immer wieder hingehalten worden, teilte dessen Leiter Andreas Grüger mit. Erst als der Welterberat der Hansestadt Stralsund sich mit der Bitte um die Dauerleihgabe der Stücke für deren Ausstellung an das Landesamt wandte, räumten die Denkmalschützer den Totalverlust ein.

Der derzeitige Leiter des Landesamtes für Bodendenkmalpflege, Michael Bednorz, entschuldigte die Vorgänge mit fehlenden personellen und finanziellen Mitteln. Zu verantworten hat er diesen Skandal zwar nicht, da er sein Amt erst im Jahr 2006 antrat, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Allerdings muss auch er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Behörde auch noch im vorigen Jahr Anfragen zum Fortschritt der Restaurierungsmaßnahmen nicht wahrheitsgemäß beantwortete. Insgeheim hofften die Denkmalschützer, durch die Mithilfe von Studenten des Studiengangs Restaurierung der FHTW Berlin wenigstens noch die kläglichen Überreste zu retten.

Der Skandal fällt noch in die Amtszeit von Bednorz' Vorgänger Friedrich Lüth, der mittlerweile Erster Direktor der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts ist. So warf denn auch der SPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Michael Körner dem ehemaligen Amtsleiter vor, für den Verlust der wertvollen Boote verantwortlich zu sein. "Es kann doch nicht angehen, dass noch nicht einmal eine Not-Konservierung veranlasst worden ist, bis geklärt ist, wo die wertvollen Einbäume endgültig gelagert werden", sagte Körner. "Und wenn es in Mecklenburg-Vorpommern keine geeigneten Einrichtungen hierfür gibt, dann müssen eben die Nachbarländer um Amtshilfe gebeten werden."

Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Henry Tesch zeigte sich entsetzt: "Da sind durch verantwortungsloses, inkonsequentes und gleichgültiges Handeln wertvolle Schätze aus der kulturhistorischen Entwicklung unseres Landes dem Verfall preisgegeben worden. Das muss Konsequenzen haben. Es wird alles getan werden, um aufzuklären, wie es bereits 2004 zu diesem unermesslichen Schaden kommen konnte, damit dies in Zukunft nicht wieder passieren kann!" In der nächsten Woche wird sich der Kulturausschuss des Landtages mit dem Vorfall befassen, wie der kulturpolitische Sprecher CDU-Landtagsfraktion, Jörg Vierkant, am Donnerstag mitteilte.

Bei der Ursachenforschung wird man wohl zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass eine ausreichende Ausstattung mit finaziellen, räumlichen und Personalmitteln für die Denkmalpflege nicht unwesentlich zur Vermeidung solcher Katastrophen beitragen würde. Die chronische Unterfinanzierung kann aber auch keine Entschuldigung für ein derartiges Versagen sein. Hier hätten die Verantwortlichen handeln müssen. Wenn schon die Konservierung aus dem eigenen Etat nicht bezahlt werden konnte, hätte man die Notwendigkeit der Bereitstellung finanzieller Mittel für die Erhaltungsmassnahmen vom Kultusministerium und der Regierung vehementer fordern müssen - oder aber Kollegen aus anderen Bundesländern zu Hilfe rufen. So oder so, die Erhaltung dieser Kulturgüter wäre möglich gewesen, wenn denn konsequent gehandelt worden wäre. Dass dies nicht erfolgt ist, ist wie die Medien in diesem Fall nicht zu Unrecht schreiben, ein Skandal. Strafrechtliche Konsequenzen wird dies für die Verantwortlichen aber wohl nicht haben, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, die inzwischen ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet hat.

 

Zu den Vorgängen ein Kommentar von Thilo Jordan

Eigentlich sollte man darüber lachen, denn es ist ja nun gottseidank keine Person zu Schaden gekommen und wenn es ein Film wäre, würde man darüber lachen - aber so bleibt einem bei dieser Realsatire das Lachen im Halse stecken.

Anstatt die fragilen Holzfunde (nochmal zur Erinnerung: u.a. die ältesten Einbäume im Osstseeraum) nach allen Regeln der modernen Restaurierungskunt zu behandeln, wurden die Holzfunde an der frischen Luft in einem einsturzgefährdeten Gebäude gelagert, mehr kann man eigentlich nicht falsch machen!

Die jetzt vorgebrachten Klagen der Denkmalbehörden über zu wenig Geld und Personal etc. passen bei diesem Beispiel leider nicht, denn sind es nicht gerade solche spektakulären und herausragenden Funde, die noch dem knausrigsten Minister Geld entlocken können? Sind es nicht gerade solche Funde, mit denen man hausieren gehen, auf die Bedeutung von Archäologie hinweisen und Sponsorengelder sammeln könnte? Auf das Lamento der Politik soll an dieser Stelle nicht eingangen werden, denn wer bitte schön sollte eigentlich die Behörden kontrollieren?

Die Funde sollten dann doch noch, nachdem das Kind vollständig mit dem Bade ausgeschüttet, sprich auch noch das Lagergebäude auf die kärglichen Überreste gestürzt war, an ein Berliner Fachinstitut gegeben werden. Glaubten die Verantwortlichen an die alchemistische Fähigkeiten von Restauratoren? Nach dem Motto, hier habt ihr ein Häufchen Holzmehl, macht doch bitte zwei 7000 Jahre und einen 6000 Jahre alten Einbaum daraus! Dazu fallen einem nur zwei Sachen ein: es ist wahrscheinlich einfacher aus Blei Gold zu machen und hätte man das nicht knapp fünf oder sechs Jahre früher machen sollen?

Nun ja, der Skandal ist da, die Behörde blamiert, die Schuldigen werden gesucht, aber die Boote sind weg - unwiederbringlich.

TJ

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