Bergung eines Schiffswracks im Bodensee
Nach bisherigen Erkenntnissen ist es vor über 600 Jahren gesunken. Obwohl Schriftquellen zufolge schon die Römer den Bodensee für den Schiffsverkehr nutzten und wahrscheinlich auch die steinzeitlichen Pfahlbaubewohner den See mit Einbäumen befuhren, hat man ältere Wracks bislang noch nicht entdeckt. Ein Anwohner hatte das Schiff im Winter 2006 beim Schlittschuhlaufen durch das Eis hindurch entdeckt und seine Beobachtung der zuständigen Fachabteilung für Unterwasserarchäologie des Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Regierungspräsidiums Stuttgart in Hemmenhofen gemeldet. Durch die Bergung soll es vor der Zerstörung bewahrt werden.
Im Frühjahr nach der Entdeckung des Schiffes untersuchten Taucharchäologen den Fund vor Ort und konnten feststellen, dass es sich um einen mittelalterlichen Schiffstyp handelt. Augenfällig sind die aus dem Seeboden herausragenden Spanten des 9 m langen Schiffsskeletts. Der schlanke kastenförmige Rumpf mit flachem Boden, weit aufragendem Bug und breitem Heck ist bezeichnend für die mittelalterliche Schiffsbautechnik. Alle noch vorhandenen konstruktiven Verbindungen zwischen den Holzbauteilen sind aus Holz, ohne Zuhilfenahme von Eisen, hergestellt. Mit Hilfe einer Radiokarbondatierung ließ sich das Schiff – vielleicht ein Fischerboot – datieren: Es stammt aus dem 14. Jahrhundert.
Wie der Taucharchäologe Dr. Martin Mainberger berichtet, musste man schon bei den ersten Tauchgängen im Frühjahr 2006 feststellen, dass zur Dokumentation und Rettung des Bootes nur wenig Zeit bleibt. Um das Spantskelett herum fanden sich am Seeboden zahlreiche Bauteile, die sich bereits aus dem Konstruktionsverband gelöst hatten. Das Wrack, das in einer seichten Bucht liegt, ist von Ankerspuren gezeichnet. Exponierte Bauteile wurden abgerissen. Zu den Gefahren des modernen Bootsverkehrs im Sommerhalbjahr kommen im Winter immer häufiger extrem niedere Wasserstände und damit verbunden beschleunigte Erosion und Eisgang hinzu. Um dem drohenden Totalverlust zuvorzukommen haben sich die Archäologen daher jetzt zu Rettungsmaßnahmen entschlossen.
Im Rahmen des von der EU geförderten Interreg IV-Projektes „Erosion und Denkmalschutz am Bodensee und Zürichsee“ bergen die Archäologen zur Zeit die aus dem Seegrund herausragenden, losen Bauteile. Diese werden im Hemmenhofener Labor zusammen mit dem Schiffsarchäologen Dr. Dietrich Hakelberg vom Seemuseum Kreuzlingen auf schiffsbautechnische Merkmale und Besonderheiten untersucht. Anschließend werden sie wieder an einer geschützten und tieferen Stelle im See vor der Reichenau eingegraben, um dort dauerhaft erhalten zu bleiben. Der Bootsfund aus dem Mittelalter zeigt zusammen mit einigen wenigen weiteren Unterwasserdenkmalen, dass die Weltkulturerbestätte Reichenau nicht an der Uferlinie endet, sondern dass rund um die Klosterinsel noch mit bedeutenden archäologischen Funden zu rechnen ist.
Von den zahlreichen aus Holz gebauten Lastsegelschiffen des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat an Land kein einziges bis heute überdauert. Die wenigen verbliebenen Schiffswracks und Pfahlsetzungen alter Wasserbauten am Seegrund sind daher archäologische Unterwasserdenkmale von besonderer technik- und landesgeschichtlicher Bedeutung. Sie müssen lokalisiert, fachgerecht dokumentiert und vor der Zerstörung geschützt werden.
Die Bedeutung der Bodenseeschifffahrt für Handel und Verkehr nahm aber seit dem Frühmittelalter stark zu. Gerade die Mönche von der Reichenau hatten an der Schifffahrt handfeste wirtschaftliche Interessen. Sie nutzten den See für Fischfang und als Transportweg für den Güteraustausch mit den umliegenden Klosterhöfen. Bis zum Bau der Eisenbahn um den Bodensee blieb die Fahrt über das Wasser die schnellste Verkehrsverbindung.
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