Begann die Globalisierung bereits in der Jungsteinzeit?
Woher stammte das Kupfer und wie wirkte sich der Kontakt mit neuen Rohstoffen und Technologien auf Gesellschaften aus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine aktuelle Studie des Kieler Sonderforschungsbereiches (SFB) 1266 »TransformationsDimensionen«.
Woher stammte das Kupfer?
Für die frühen jungsteinzeitlichen Artefakte des Nordens (ca. 4.100-3.300 vor unserer Zeit) haben die Menschen damals wohl Metall aus den Kupfererzlagerstätten in Südosteuropa verwendet. Insbesondere die serbischen Bergbaugebiete kommen hier in Betracht. Die wahrscheinlichsten Kupferquellen für die wenigen mitteljungsteinzeitlichen Artefakte (ca. 3.300-2.800 vor unserer Zeit) scheinen aus dem slowakischen Erzgebirge, den serbischen Bergbaugebieten und den Ostalpen zu stammen. Artefakte aus der späten Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit (ca. 2.300-1.700 vor unserer Zeit) wurden vermutlich Lagerstätten im slowakischen Erzgebirge und in der Alpenregion gefertigt. Für die Artefakte, die die Forschenden auf die Zeit nach 2.000 vor unserer Zeit datiert haben, scheint auch das Bergwerk Great Orme in Wales eine der Kupferquellen der untersuchten Metalle gewesen zu sein.
Eine Verbindung Südskandinaviens mit frühen Zentren der Kupfermetallurgie im südöstlichen Zentraleuropa hatten Forschende bereits in früheren Studien diskutiert. Allgemein sahen sie den Ursprungsort vieler Kupferartefakte aber im alpinen Raum. »Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass die bislang vorliegenden Daten als unzuverlässig einzustufen sind«, sagt Dr. Jan Piet Brozio Leiter der Studie. Daher haben die Kieler Projektbeteiligten im Rahmen der Studie insgesamt 45 jungsteinzeitliche Kupferobjekte für neue Bleiisotopenanalysen ausgewählt. »Das ist die bisher größte Stichprobe jungsteinzeitlicher Objekte aus der nordeuropäischen Tiefebene und Südskandinavien«, führt Brozio aus. »Untersucht wurden verschiedene archäologische Artefakte wie Beile, Spiralen und Meißel aus der frühen bis späten Jungsteinzeit sowie der frühen Bronzezeit. Die Methode zur Interpretation der analysierten Daten beruht auf dem Vergleich der Geochemie und der Bleiisotopenverhältnisse archäologischer Artefakte mit den analytischen Daten von Mineralien aus Kupfererzlagerstätten.«
Kupfernutzung und Wissensaustausch
Die erstmalige Integration der Kupfermetallurgie und die Verwendung von Kupferobjekten in jungsteinzeitlichen Gesellschaften im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien sind nicht nur als ein rein technologischer Fortschritt zu sehen. Archäologinnen und Archäologen interpretieren diese auch als Teil einer umfassenderen Entwicklung. »Zu diesen Entwicklungen gehörten das Aufkommen neuer Kommunikations- und Austauschnetzwerke sowie Veränderungen in der Subsistenzwirtschaft und neue Technologien wie die Einführung des Hakenpfluges oder von Rad und Wagen«, erläutert Prof. Dr. Johannes Müller, Sprecher des SFB 1266. Denn neben Objekten aus Metall und Jadeit wurde auch Wissen, wie neue Getreidearten und Ideen von Architektur in den Norden transportiert.
Die frühe Etablierung der Kupfermetallurgie war allerdings kein nachhaltiger Prozess, auch wenn es sich nach fachwissenschaftlichem Verständnis um kupferzeitliche Gesellschaften handelt. Denn trotz eines Importbooms haben sich das Metall und das Wissen um seine Verarbeitung in den neolithischen Gesellschaften des vierten Jahrtausends vor unserer Zeit nicht durchgesetzt. Sie wurden vielmehr nahezu bedeutungslos. Erst in der späten Jungsteinzeit und in der Frühbronzezeit integrierten die nordischen Gesellschaften die Kupfermetallurgie so in ihr Wirtschaftssystem, dass diese Gesellschaften einen »Point of no Return« in Bezug auf die Metallurgie erreichten und zunehmend mehr Metallartefakte als Werkzeuge in der Subsistenzwirtschaft sowie zur Darstellung von Machtstrukturen verwendeten.
Publikation
The Origin of Neolithic Copper on the Central Northern European Plain and in Southern Scandinavia: Connectivities on a European Scale
PLOS ONE. 10.05.2023
DOI: 10.1371/journal.pone.0283007
https://journals.plos.org/plosone/articl...
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