Bayerns Stahl der Steinzeit

7.000 Jahre altes Handelsimperium im Herzen Mitteleuropas entdeckt

Nahe dem heutigen Dorf Arnhofen unweit der niederbayerischen Kreisstadt Kelheim entstand in der Jungsteinzeit im 6. Jahrtausend v. Chr. das größte Feuersteinbergwerk Europas. 20.000 Schachtanlagen trieben die Steinzeitkumpels durch Kies und Sand in die Tiefe, um an einen der besten Rohstoffe ihrer Zeit zu gelangen.

Verbreitung der Arnhofener Silexklingen
Neueste Verbreitungskarte der Arnhofener Feuersteinklingen mit der aktuell in der Kreisgrabenanlage von Schiltern, Bez. Krems-Land, ermittelten Grenze an der östlichen Peripherie des Arnhofener Handelsimperiums.

Stahl der Steinzeit

Feuerstein galt als der »Stahl der Steinzeit«. Aus dem glasharten Gestein wurden sämtliche schneidenden Werkzeuge wie Messer und Sichelklingen hergestellt. Der Bedarf war riesig. Schon früh entstanden in Europa erste Minen und Bergwerksanlagen. Die Arnhofener Bergleute förderten Hunderte von Tonnen Feuerstein aus bis zu 8 Metern Tiefe. Viele der Schächte aber waren kaum einen Meter breit. Das kann nur bedeuten, dass Kinder in die Schächte geschickt wurden. Das Fördergut wurde sofort vor Ort aussortiert und die besten Stücke zu transportfähigen Gesteinsbarren zugerichtet. Diese Rohlinge gingen zunächst in die nahegelegenen Bergarbeitersiedlungen. 

Ein Solingen der Steinzeit

Lange Zeit wurde gerätselt, wo genau die Endfertigung der begehrten Arnhofener Klingen stattgefunden hat. Erst vor Kurzem öffnete das Historische Museum in Regensburg seine Sammlungen. Eine umfangreiche Untersuchung brachte es schließlich ans Licht. Um Regensburg lagen zahlreiche Feuersteinmanufakturen, allen voran die Steinzeitsiedlung von Regensburg-Pürkelgut. Hier lagen die gewaltigen Abfallmengen einer Massenproduktion, die nach vorsichtigen Hochrechnungen Millionen der rasiermesserscharfen Klingen auf den Markt brachte. Der Großteil davon war für den Export bestimmt. 

Verbreitung auf einer halben Million Quadratkilometer

Vor allem über den Bayerischen Wald nach Böhmen in die Regionen um das heutige Pilsen und Prag verlief eine viel begangene Handelsstraße. Die Analysen in den tschechischen Steinzeitsiedlungen zeigten, dass bis zu 60 Prozent des Feuersteinbedarfs aus der Mine von Arnhofen gedeckt wurde. Donauabwärts führte der Wasserweg die Feuersteinhändler in ihren Einbäumen bis nach Ober- und Niederösterreich. In Höhe des Kamptales lag nach den neuesten Forschungen eine Grenze an der östlichen Peripherie des Arnhofener Einflussbereiches. In der unlängst entdeckten Kreisgrabenanlage von Schiltern im Bezirk Krems aus der mittleren Phase der Jungsteinzeit um 4600 v. Chr. fand sich das letzte größere Kontingent der typischen Arnhofener Sichelklingen - in 420 km Entfernung von der Mine. Auf rund einer halben Million Quadratkilometer erstreckte sich das Arnhofener Handelsimperium. Zwischen Moldau und Rhein, Donau und Ruhr vertrieben professionelle Feuersteinhändler vor 7000 Jahren die begehrten Produkte aus Bayern. 

 

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Zum Autor

Alexander Binsteiner (63) ist Geoarchäologe. Seine bekanntesten Projekte sind neben dem Feuersteinbergwerk von Arnhofen, die Entdeckung der Feuersteinminen des Ötzi in den Monti Lessini als Chefgeologe im Eismann-Projekt an der Universität Innsbruck unter Konrad Spindler, und die Herkunftsbestimmung der weltberühmten Steinzeitfigur der Venus von Willendorf im Naturhistorischen Museum Wien.

Termin-Hinweis

Am 25. Mai 2019 berichtet Alexander Binsteiner auf dem Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie im MAMUZ Museum Mistelbach über die Sileximporte in der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Schiltern, Gemeinde Langenlois im Bezirk Krems-Land, Niederösterreich. Informationen zu der Veranstaltung gibt es hier

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