Ausgrabungen im Kloster Memleben erhellen Baugeschichte der Kirche Kaiser Ottos II.
Das Denkmalareal des einstigen Klosters Memleben gehört zu den bedeutendsten historischen Orten in Sachsen-Anhalt und ist ein besonderer Glanzpunkt auf der Straße der Romanik. Im 10. Jahrhundert ging Memleben in die Geschichte ein: Hier tat König Heinrich I. im Jahr 936 seinen letzten Atemzug und sein Sohn wurde an seinem Sterbebett zum Nachfolger designiert. Dieser verstarb als Otto der Große 973 ebenfalls hier. Dessen Erbe Otto II. machte aus Memleben einen Memorialort zum Gedenken an sein Elternhaus. In diesem Zusammenhang gründete er mit seiner Gemahlin Theophanu ein Benediktinerkloster. Erstmals 979 urkundlich erwähnt, war es ungewöhnlich reich ausgestattet und zählte zu den wichtigsten und vornehmsten Klosteranlagen im ottonischen Herrschaftsgebiet. Doch bereits 1015 endete die Eigenständigkeit des Klosters: Heinrich II. unterstellte es dem osthessischen Benediktinerkloster Hersfeld als Propstei. Eine erneute Blüte erfuhr der Ort im 13. Jahrhundert mit dem Bau einer neuen Kirche, deren hoch aufragende Reste noch heute an die einstige Bedeutung erinnern, ebenso wie eine eindrucksvolle dreischiffige Hallenkrypta als einziger noch vollständig erhaltener Raum der spätromanischen Kirche.
Seit 2017 finden auf dem geschichtsträchtigen Gelände der Stiftung Kloster und Kaiserpfalz Memleben archäologische Lehr- und Forschungsgrabungen statt. Die Arbeiten konzentrierten sich in den vergangenen Jahren auf Wirtschaftsgebäude und die Reste einer älteren Klausur im Klosterhof. Im Mittelpunkt der diesjährigen Untersuchungen, an denen 18 Studierende des gemeinsamen Aufbaustudiengangs Denkmalpflege der MLU und der HA teilnahmen, stand die im Grundriss als dreischiffige Basilika mit zwei Querschiffen und Ost- und Westchor rekonstruierte Klosterkirche der Ära Ottos II.
Die ca. 82 Meter lange und 39,5 Meter breite Monumentalkirche ist in ihrer Größe mit den erzbischöflichen Bauten in Magdeburg, Köln und Trier vergleichbar. Zwar fanden hier bereits im Laufe des 20. Jahrhunderts punktuell Ausgrabungen statt, verschiedene Aspekte der Baugeschichte und Gestalt mussten bislang aber als offen gelten. Dasselbe gilt für die Frage, ob das Bauwerk vor seiner Aufgabe zu Gunsten der späteren, heute als Ruine sichtbaren Kirche jemals in benutzbarem Zustand war.
Untersucht wurden insgesamt neun Flächen im Bereich des östlichen Querhauses und der Mittelapsis, die den Abschluss der Kirche nach Osten bildet. Unterhalb der Mittelapsis konnten deren mehrlagiger, massiv erhaltener Fundamentsockel sowie die Krypta nachgewiesen werden. Letztere war beräumt und mit kleinteiligem Abbruchschutt vom Kernmauerwerk von Kirche und Krypta verfüllt. Dessen Umfang lässt den Schluss zu, dass das Bauwerk in diesem Bereich weitestgehend vollständig bestanden haben muss. Die im südöstlichen Querhaus im Bereich der Nebenapsis sowie an der Verbindung der Nord- und Mittelapsis beobachteten Fundamentabschnitte belegen, zusammen mit einer deutlichen Baufuge, dass die Basilika nicht in einem Zuge errichtet wurde. Auch wenn ihr möglicherweise eine einheitliche Bauplanung zugrunde lag, weist sie doch eine mehrphasige Entwicklungsgeschichte auf. Die Spuren einer weiteren Mauerunterlage stammen möglicherweise von einer Abtrennung des Chorbereichs beziehungsweise von einem Lettner und liefern damit erstmals Aufschluss über die Binnengliederung der Kirche.
Die baulichen Reste verstärken den bereits 2018 mit dem überraschenden Fund eines Weihesteins mit Inschrift gewonnenen Eindruck, dass die Kirche in zentralen Bereichen tatsächlich fertig gestellt und in Benutzung war. Dafür spricht außerdem die Entdeckung eines peripher gelegenen, beigabenlosen Kopfnischengrabes im Bereich des nordöstlichen Querhauses. Das Grab ist in eine mächtige spätbronzezeitliche Kulturschicht eingetieft, die sich bis zum südlichen Grabungsrand erstreckt und neolithische Befunde der Linien- und Stichbandkeramik überlagert. Damit ließen sich erneut urgeschichtliche Siedlungsreste am Standort des Klosters nachweisen.
Die komplexe Befundlage im Ostabschluss der Kirche wird durch weitere Baustrukturen ergänzt: So errichtete man im Spätmittelalter im noch wahrnehmbaren Baubestand der alten Kirche neue Gebäude. Im südöstlichen Querhaus durchschneidet ein tief gegründeter Keller, dessen Portal man bereits 1936 entdeckt hatte, alle älteren Strukturen. Ein daneben angelegter Fundamentsockel datiert über Keramikfunde ins 15./16. Jahrhundert. Weitere Funde aus den verfüllten Baugruben des Kirchenfundaments belegen, dass man dieses bis ins 18. Jahrhundert als »Steinbruch« nutzte.
Zusammenfassend erhellen die Erkenntnisse der diesjährigen Untersuchungen bereits wesentliche Aspekte der Bau- und Nutzungsgeschichte eines der bedeutendsten ottonischen Monumentalbauten in Europa. Sie sollen als Grundlage für die weitere archäologische Erschließung der Kirche und damit der Gründungsphase des einst so bedeutenden Memlebener Klosters dienen.
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