Ausgrabungen auf dem Ahlener Marktplatz
Das Interesse der Archäologen gilt vor allem dem Keller eines mittelalterlichen Hauses, das im 15. Jahrhundert abgerissen worden war. Eine Hauswand aus Kalkstein war offenbar noch während der Bestandszeit des Gebäudes einsturzgefährdet. Direkt neben ihr fanden die Archäologinnen eine zweite Mauer aus Backstein. "Diese vorgesetzte, jüngere Mauer diente vermutlich zur Stabilisierung der baufällig gewordenen Kellerwand", erläutert Andreas Wunschel von der LWL-Archäologie für Westfalen. Möglicherweise hatten die mittelalterlichen Mauerer keine saubere Arbeit geleistet. Vielleicht war diese Maßnahme auch notwendig, weil die Erbauer des Hauses die Tragfähigkeit des sandigen Baugrundes überschätzt hatten.
Nach dem Abriss des Hauses verfüllten die Menschen den Keller mit verschiedenen Abfällen: Hier wurde Bauschutt entsorgt, aber auch Dachziegel, Tierknochen sowie Scherben von Glas- und Tongefäßen. Zu den weiteren Funden gehören schmale Lederstreifen. Offenbar befand sich in der Nähe ein Flickschuster, der seinen Müll in dem abgerissenen Gebäude entsorgt hatte. Einen Einblick in die Tätigkeit eines solchen Schusters und anderer Handwerker bietet derzeit die Ausstellung "Echt alt! Mittelalterliches Handwerk ausgegraben" im LWL-Freilichtmuseum in Hagen.
Aktuell arbeiten die Fachleute an einem seltenen Befund. Es handelt sich um ein Geflecht aus verschiedenen Geästen, die sich nur aufgrund der hohen Feuchtigkeit im Untergrund erhalten blieben. Die Konstruktion ähnelt einer Flechtwerkwand, wie sie aus alten Fachwerkhäusern bekannt sind. Auf den Boden gelegt sollte dieses Holzgeflecht möglicherweise den Zugang zu einer Wasserstelle befestigen. Die genaue Funktion des Geflechts ist ebenso wie sein Alter zurzeit noch unklar.
Darüber hinaus entdeckten die Forscher die Fundamente des alten Ahlener Rathauses aus dem 18. Jahrhundert. Das barocke Gebäude entstand nach einem Stadtbrand von 1744 und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zugunsten eines Neubaus, der heutigen Volkshochschule, abgerissen. Die Expertinnen legten mächtige Mauerreste frei, die das Fundament dieses barocken Rathausbaus bildeten. "Wir interessieren uns für die verschiedenen Mauertechniken und für die unterschiedlichen Größen der verwendeten Natursteine", so Wunschel. "Wir sehen darin Hinweise, dass das barocke Rathaus auf einen weiteren, vielleicht spätmittelalterlichen Vorgängerbau aus der Zeit nach 1400 zurückgeht." Unter dem Ahlener Marktplatz liegen also die Reste von mehreren Generationen von Rathäusern verborgen. Die Stadt Ahlen will diese Strukturen bei ihrer Bautätigkeit berücksichtigen und im Boden erhalten.
Die archäologischen Untersuchungen auf dem Ahlener Marktplatz haben im September 2017 begonnen und laufen parallel zu den aktuellen Sanierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt Ahlen war es bereits im Vorfeld der Bauarbeiten möglich, Bodeneingriffe und archäologische Untersuchungen aufeinander abzustimmen.
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