Archäologische Manipulationen: Verdachtsfälle werden untersucht

Systematische Überprüfungen archäologischer Projekte in Rheinland-Pfalz decken mögliche Manipulationen auf. Neue Altersbestimmungen widerlegen zentrale Thesen zu Funden wie dem »Neandertaler von Ochtendung«. Experten prüfen nun das gesamte Ausmaß des Schadens.

Doch kein Neandertaler

Untersuchungen enthüllen gravierende Fehler

In Rheinland-Pfalz wird ein mutmaßlicher Manipulationsskandal in der Archäologie systematisch aufgearbeitet. Nachdem konkrete Hinweise auf absichtliche Manipulationen durch einen leitenden Mitarbeiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) aufgetaucht waren, leitete das Innenministerium umfassende Untersuchungen ein. Inzwischen wurden zahlreiche Projekte geprüft, an denen der beschuldigte Mitarbeiter beteiligt war. Dabei ergaben sich 18 neue Verdachtsfälle, darunter prominente Funde wie der »Neandertaler von Ochtendung« und das »Schlachtfeld von Riol«.

»Alle Verdachtsfälle werden nun systematisch abgearbeitet«, erklärte Staatssekretärin Simone Schneider und versprach umfassende Transparenz gegenüber der Wissenschaft und der Öffentlichkeit.

Der »Neandertaler von Ochtendung«: Ein gravierender Irrtum

Ein zentraler Fall ist der »Neandertaler von Ochtendung«, ein Fund, der 1997 veröffentlicht wurde. Das Schädelfragment wurde kürzlich mit der Radiokarbonmethode (C14) datiert. Die Ergebnisse waren überraschend: Statt ins Paläolithikum gehört der Schädel ins Frühmittelalter des 7. oder 8. Jahrhunderts n. Chr. Damit ist das Fragment um 160.000 bis 170.000 Jahre jünger als bislang angenommen.

Dieser Befund stellt nicht nur die ursprüngliche Interpretation des Fundes infrage, sondern wirft auch die Frage auf, ob ähnliche Datierungsfehler systematisch eingebaut wurden.

Zweifel am »Schlachtfeld von Riol«

Ein weiterer Verdachtsfall betrifft das vermeintliche »Schlachtfeld von Riol«, das 2015 als Fundort einer historischen Schlacht aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. präsentiert wurde. Die aktuelle Überprüfung ergab, dass die archäologische Datenbasis für diese Behauptung unzureichend ist. Auch hier wird der wissenschaftliche Schaden als erheblich eingeschätzt.

Umfangreiche Aufklärung unter Expertenaufsicht

Bereits vor der umfassenden Überprüfung war bekannt, dass mindestens 21 gefundene Schädel oder Schädelfragmente falsch datiert worden waren. Das Innenministerium hat deshalb ein Disziplinarverfahren gegen den verdächtigten Mitarbeiter eingeleitet und um externe Fachleute ergänzt. Zu den Ombudsleuten zählen Dr. Ulf Ickerodt, Landesarchäologe von Schleswig-Holstein, sowie Prof. Dr. Silviane Scharl vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln.

»Wir haben der Öffentlichkeit und insbesondere der Wissenschaft zugesichert, dass wir fortlaufend zu den Ergebnissen der Untersuchungen berichten, um weiteren wissenschaftlichen Schaden abzuwenden. Daran werden wir uns auch weiterhin messen lassen«, betonte Staatssekretärin Schneider. Derzeit wird geprüft, wie mit den neuen Erkenntnissen umgegangen werden soll.

Folgen für die Archäologie

Der Fall zeigt, wie gravierend Manipulationen das Vertrauen in die archäologische Forschung beeinträchtigen können. Insbesondere prominente Funde wie der »Neandertaler von Ochtendung« hatten internationale Aufmerksamkeit erregt und gelten nun als Beispiele für die Notwendigkeit unabhängiger Überprüfungen. Die weiteren Untersuchungen werden entscheidend sein, um das tatsächliche Ausmaß des Schadens zu ermitteln und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die archäologische Forschung wiederherzustellen.

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