Archäologische Höhepunkte im Rheinland 2013
Über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen ins LVR-LandesMuseum Bonn, um den Jahresrückblick zu verfolgen und sich auszutauschen. "Für die Archäologie in Nordrhein-Westfalen war das wichtigste Ereignis im Jahr 2013 die Verankerung des Verursacherprinzips im Denkmalschutzgesetz", so Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Laut dieser Regelung müssen sich Bauherren im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit an den Kosten notwendiger Ausgrabungen beteiligen. In der Praxis beauftragen sie damit – auch aus Zeitgründen – archäologische Fachunternehmen. 2011 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster das bis dahin seit vielen Jahren angewendete Verursacherprinzip für rechtswidrig erklärt. In der Folge waren die sogenannten Firmengrabungen drastisch zurückgegangen, von üblicherweise rund 170 pro Jahr auf 110 im Jahr 2013. Jürgen Kunow: "In den vergangenen zwei Jahren gab es in Folge der Rechtsprechung eine Vielzahl von Maßnahmen, bei denen sich die Verursacher weigerten, die Kosten für Ausgrabungen zu übernehmen. Unser Amt war weder personell noch finanziell in der Lage, diese Maßnahmen zu stemmen."
"Erst die Novellierung mit der gesetzlichen Verankerung des Verursacherprinzips, des Schatzregals und damit die Übertragung herrenloser Funde in die öffentliche Hand sowie weitere Verfahrenserleichterungen hat zu der Rechtssicherheit geführt, die dringend erwartet wurde", ergänzt Dr. Thomas Otten, Referatsleiter Denkmalschutz im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW.
"Die Zahl der Ausgrabungen und Prospektionen liegt im vergangenen Jahr bei knapp 400, hinzu kommen rund 50 Forschungsprojekte, über die in Auswahl bei unserer Jahrestagung berichtet wird" so Prof. Dr. Kunow
Welche neuen Erkenntnisse ein alter Fund zu bieten hat, zeigt ein Projekt unter Federführung des LVR-LandesMuseums Bonn. Im Februar 1914 entdeckten Steinbrucharbeiter in Bonn-Oberkassel die 14.000 Jahre alten Skelette eines Mannes, einer Frau und eines Hundes sowie aus Knochen geschnitzte Kunstwerke. Mit Hinblick auf das 100jährige Jubiläum der Entdeckung gewinnt ein internationales Wissenschaftlerteam seit 2008 den Funden mit modernsten Methoden neue Erkenntnisse zum Leben der Eiszeitjäger. Jüngstes Ergebnis dieser Forschungen sind 2013 vorgelegte Genanalysen, die belegen, dass die Zähmung und Züchtung des Hundes im eiszeitlichen Europa stattfand.
Beeindruckende Ergebnisse liefern die Ausgrabungen auf einem spätaltsteinzeitlichen Lagerplatz in der Niersaue in Mönchengladbach-Geneicken. Wie kaum ein anderer Fundplatz der sogenannten Federmessergruppen (benannt nach einem typischen Gerät), bietet er Einblicke in die Nutzung einer Auenlandschaft während der ausgehenden Eiszeit. Erstmals im nordwest-europäischen Tiefland sind hier Knochen und Geweih – und damit Jagdbeutereste – aus der sog. Allerödzeit (12.000 bis 10.750 v.Chr.) in größerem Umfang überliefert. Der Fundplatz bestätigt, dass federmesserzeitliche Lager Flächen von einigen tausend Quadratmetern einnehmen konnten und verteilt gelegene, unterschiedlich genutzte Bereiche besaßen.
Weiträumige Kulturbeziehungen ins nordfranzösische Gebiet lässt die in den letzten Jahren bei Niederkassel untersuchte eisenzeitliche und frührömische Siedlung mit dem Fund einer sogenannten Marne-Schüssel erkennen. Darüber hinaus verspricht der von 600 v.Chr. bis 50 n.Chr. genutzte Platz neue Erkenntnisse zum Übergang von der späten Eisen- in die römische Kaiserzeit.
Ein besonderes Ereignis am Niedergermanischen Limes brachten 2013 durchgeführte Grabungen ans Licht: einen Erdrutsch am Reiterlager Burginatium bei Kalkar. Er führte zum Verlust der nordöstlichen Kastellecke auf einer Fläche von etwa 800 Quadratmetern. Die noch in römischer Zeit neu errichtete Mauer musste dem neuen Uferverlauf folgen und verlief schräg zum Kastellgrundriss. Für die Rekonstruktion der römischen Siedlungslandschaft und die Wechselwirkung mit antiken Rheinverläufen stellt der Befund von Burginatium ein besonderes Zeugnis dar.
Die herausragende Mauererhaltung von bis zu zwei Metern Höhe erstaunte selbst die Fachwelt bei der Ausgrabung im Bonner Legionslager. In dessen Nordwestecke legten die Ausgräber Teile der reich ausgestatteten Unterkünfte der 8. Kohorte sowie Wirtschaftsgebäude frei. Das Fundmaterial gibt ungewöhnlich detaillierte Einblicke in das Leben und Arbeiten der römischen Legionäre von der Holzbauphase im 1. bis zur Aufgabe des Lagers im 4. Jahrhundert n.Chr.
Eine wahre Herausforderung stellen die archäologischen Untersuchungen auf der über 200 Hektar großen Fläche in Euskirchen-Großbüllesheim dar. Auf dem Areal für eine künftige Industrie- bzw. Gewerbeansiedlung kamen zahlreiche vorgeschichtliche und römische Fundplätze zutage, darunter ein römisches Landgut mit zugehörigem Friedhof. Hier setzte man im 2. Jahrhundert zwei Verstorbene in einem ummauerten, rechteckigen "Grabgarten" bei. Zu den Beigaben zählt als herausragendes Fundstück ein reliefverzierter "Jagdbecher" aus einer Kölner Werkstatt.
Mit der Ausgrabung eines spätantiken Körpergräberfeldes in Pier (Tagebau Inden) konnte die Untersuchung an einer der größten römischen Villen im Rheinland abgeschlossen werden. Überraschend wurden daneben unter mächtigen Schwemmschichten zwei eisenzeitliche Wasserstellen gefunden, zu denen sorgfältig gezimmerte hölzerne Stufen führten, die sich 2.500 Jahre erhalten haben.
Durch zerstörungsfreie Bodenuntersuchungen konnten im LVR-Archäologischen Park Xanten neue Erkenntnisse über die Bebauung der römischen Stadt gewonnen werden. Im Mittelpunkt weiterer Forschungen stehen die Baugeschichte des großen Nordtores und die Herausforderung für die Bauforschung, den rekonstruierten Hafentempel gegen den Zerfall durch Frost und Regen zu schützen.
Für eine Überraschung sorgten in Köln Funde aus einem Abort des 14. Jahrhunderts, der bereits 2012 bei Ausgrabungen nahe St. Gereon ans Tageslicht kam, deren herausragende Bedeutung aber erst nach der Restaurierung im vergangenen Jahr offensichtlich wurde. Inmitten der Latrinentorfe fanden sich drei Siegelstempel (Typare), wie sie zur Beglaubigung mittelalterlicher Urkunden verwendet wurden. Die Siegelstempel waren Eigentum des Ludwig van Boxtel (um 1256–1311/12), der zwischen 1304 und 1309 das Amt des Probstes von Zyfflich (Niederrhein) bzw. von Bad Münstereifel (Eifel) innehatte. Zwischen 1286 und 1309 wird er mehrfach als Domherr in Köln benannt. Testamentarisch bedachte er unter anderem die Kirche St. Gereon, wo seine Siegel aus ungeklärten Gründen in der Latrine entsorgt wurden.
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