Aktuelles von der B6n: Slawische Siedlung mit Hausbestattung entdeckt

Bei Köthen stießen Archäologen auf Spuren einer größeren Siedlung aus dem 7. Jh. Die Entdeckung zahlreicher Grubenhäuser ergänzt als weiterer bedeutender Mosaikstein das Bild einer dichten und kontinuierlichen slawischen Besiedlung des Mittelelbe-Saale-Gebiets im heutigen Sachsen-Anhalt.

Grubenhaus im archäologischen Befund
Slawisches Grubenhaus mit Estrich, zentralem Herd und seitlichem Ofen. Foto: © LDA

Im 6./7. Jahrhundert n. Chr. wanderten, aus Ostmitteleuropa kommend, slawische Stämme in das Gebiet des heutigen Mitteldeutschland ein, das zuvor, wenn auch schwach, von Germanen besiedelt gewesen war. Bis zur Zeit Karls des Großen reichte das Gebiet der Slawen vom östlichen Schleswig-Holstein über das Elbegebiet und Thüringen bis nach Nordostbayern, wobei die Einwanderung in mehreren Gruppen und aus mehreren Richtungen vollzogen wurde. In das Elbe-Saale-Gebiet etwa gelangten sorbische Stämme, die über das Elbtal aus dem mittleren Donaugebiet einwanderten. Die Einwanderung führte zu weitreichenden Veränderungen in der Siedlungslandschaft: Waldflächen wurden gerodet, Dörfer, Burgen und erste stadtähnliche Anlagen entstanden, Infrastrukturelemente wie Straßen und Brücken wurden angelegt. War in der frühen Phase die bäuerliche Siedlung die vorherrschende Grundstruktur, so entstanden bereits ab dem Ende des 7. Jahrhunderts Burgen, die schließlich das ganze Land überzogen. In ihrem Schutz lagen in Vorburgen die Werkstätten spezialisierter Handwerker. Neben Burgen und Dorfsiedlungen sind allerdings auch Einzelgehöfte und Gehöftgruppen (Weiler) bekannt. Zahlreiche Ortsnamen zeugen noch heute von der früheren slawischen Besiedlung, wie etwa Korbetha bei Merseburg oder Cösitz unweit von Köthen.

Die lange Zeit einzige vollständig untersuchte frühe slawische Siedlung stellt das vor rund 50 Jahren entdeckte Dorf auf dem heutigen Zoberberg bei Dessau-Mosigkau dar. Zwischen dem Ende des 6. und dem Anfang des 8. Jahrhunderts bestand hier eine Siedlung mit fünf Phasen.

Die dort gewonnenen Erkenntnisse konnten durch zahlreiche Neuentdeckungen der letzten Jahre erheblich präzisiert werden. Sehr gut in dieses Bild einer dichten und kontinuierlichen slawischen Besiedlung des Mittelelbe-Saale-Gebiets im heutigen Sachsen-Anhalt fügt sich nun als weiterer bedeutender Mosaikstein die Siedlung ein, die im Vorfeld des Straßenneubaus B6n PA 16 (Ortsumgehung Köthen) am Südrand von Köthen freigelegt wurde. Seit Anfang 2010 führt dort das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt mit ca. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die notwendigen archäologischen Dokumentationen durch.

Kannte man bisher bereits von den vorigen Abschnitten der neuen Bundesstraße B6n nur einzelne Grubenhäuser und Bestattungen, wie sie beispielsweise bei Kleinpaschleben freigelegt wurden, so wird nun bei Köthen erstmals eine große, durch zahlreiche Wohnbauten charakterisierte Siedlungsfläche durch die Trasse tangiert. In deren Verlauf ist mit zwanzig Grubenhäusern zu rechnen. Dabei handelt es sich um in den Boden eingetiefte Bauten, bei denen man gewissermaßen im Kellerraum lebte – im Winter schützend umgeben von wärmendem Erdreich, im Sommer wohltemperiert. Die Wände dürften aus soliden Bauhölzern in Blockbautechnik errichtet worden sein. Das fast bis zum Boden reichende Satteldach war möglicherweise mit Schilf, Reet oder Grassoden gedeckt. Bauten dieser Art waren optimal an das Kontinentalklima der Wald- und Steppengebiete Ostmitteleuropas, das ursprüngliche Herkunftsgebiet der Slawen, angepasst.

Schon jetzt zeigt sich, dass innerhalb der Siedlung klare Strukturen vorliegen: Mit Feuer hantierende Gewerke mussten beispielsweise ihren Platz am Siedlungsrand finden. Dort stand ein Gebäude mit mehreren Feuerstellen. In der Nähe eines zentralen Herdes fanden sich zahlreiche Keramikgefäße, deren enge Gruppierung darauf schließen lässt, dass sie möglicherweise auf einem heute nicht mehr erhaltenen Holzregal standen. Ein massiver Estrich im übrigen Gebäudeteil, also zwischen Außenwand und mittiger Ofenlage weist auf außergewöhnlich starke Trittbelastungen hin. Ein zweiter, mehr oder weniger als Anbau gestalteter Ofen legt nahe, dass es sich bei diesem Gebäude nicht um ein gewöhnliches Wohnhaus handelt, sondern möglicherweise eine Garküche, eine Bäckerei oder ein Handwerksbetrieb vorliegt. Zahlreiche, in den letzten Tagen bereitgestellte Bodenproben werden in den nächsten Monaten mit Hilfe naturwissenschaftlicher Analyseverfahren untersucht, um die aufgeworfenen Fragen zu klären.

Während dieser Befund eine wertvolle Ergänzung unseres bisherigen Bildes von der Lebensweise der slawischen Bevölkerung bietet, kann ein benachbarter rätselhafter Befund noch nicht abschließend beurteilt werden: In einem aufgelassenen Grubenhaus fand sich der Rumpf eines Menschen (Kopf bis Becken) mit starken Brandspuren. Die Ergründung der Todesumstände wird Gegenstand weiterer Forschungen sein.

Slawische Keramik
Die Fundlage der Keramikscherben legt nahe, dass die Gefäße möglicherweise ursprünglich auf einem Regal in dem Grubenhaus aufgestellt waren. Foto: © LDA
Rumpf eines Toten
Ein besonderes Rätsel stellt dieser Rumpf eines Toten dar, der in einem anderen, aufgelassenen Grubenhaus entdeckt wurde. Foto: © LDA
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