Aktuelle archäologische Untersuchungen in Pömmelte – Neue Erkenntnisse zum Leben am Ringheiligtum

Großangelegte archäologische Ausgrabungen der Jahre 2018 bis 2022 konnten mit insgesamt knapp 140 untersuchten Hausgrundrissen eindrucksvoll belegen, wie die Menschen des 3. Jahrtausends vor Christus am Ringheiligtum Pömmelte lebten. Verschiedenste naturwissenschaftliche Methoden ermöglichen es nun sogar zu rekonstruieren, was die Menschen dort aßen und tranken. Die aktuelle Ausgrabung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt vor Ort hilft nun dabei, das Bild weiter zu vervollständigen und die Ritual- und Siedlungslandschaft des 3. Jahrtausends vor Christus in Gänze zu erfassen.

Glockenbecherzeitliche Hausgrundrisse
Der größte der drei neu entdeckten Hausgrundrisse der Glockenbecherkultur (ungefähr 2450 bis 2250 vor Christus) mit dem Ringheiligtum im Hintergrund, Blick nach Westen. Maße des Gebäudes: 19,75 Meter (Länge) mal 7,35 Meter (maximale Breite). Foto: A. Leneke / Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

In den Jahren 2018 bis 2022 stand das Umfeld des Ringheiligtums im Fokus groß angelegter Forschungsgrabungen. Die diesjährigen archäologischen Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt widmen sich nun den Anschlussflächen im Nordosten und Nordwesten des Ringheiligtums. Die Ergebnisse verdichten das Siedlungsbild am Ringheiligtum. Mit drei neuen aufgedeckten glockenbecherzeitlichen Hausgrundrissen darf nun auch der Vorgänger der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Megasiedlung als die größte ihrer Art in Mitteldeutschland angesprochen werden. Insgesamt 12 Gebäude verteilen sich auf rund 39.000 Quadratmetern in unmittelbarer Nähe des Heiligtums. In diesen Häusern dürften dessen Erbauer im 24. Jahrhundert vor Christus gelebt haben.

Die Identifizierung der Hausstandorte der noch älteren Schnurkeramischen Kultur steht jedoch weiterhin aus. Diese Menschen hatten ein erstes kleines viereckiges Heiligtum am Platz angelegt und auch ihre Verstorbenen vor Ort beigesetzt, wie eine neue, leider schlecht erhaltene Bestattung belegt. Eine nun entdeckte Siedlungsgrube, die mit den Scherben zweier Gefäße, einem unbrauchbaren Beil und Silexklingen ein klassisches Abfallspektrum widerspiegelt, könnte ein weiterer Hinweis auf nahegelegene, heute verlorene bauliche Strukturen sein. Bislang war die schnurkeramische Siedlung nur über verlagerte einzelne Scherben räumlich näher einzugrenzen.
Dafür konnten in diesem Jahr die Wirtschaftsbereiche der entwickelten Schnurkeramikkultur (26. bis 23. Jahrhundert vor Christus) weiter untersucht werden. Das insgesamt 78 Getreidesilos umfassende Speicherareal muss Tonnen von Getreide aufgenommen haben. Eine etwa 1 Meter tief erhaltene Grube besitzt ein Fassungsvermögen von etwa 1,5 Kubikmetern. Dies entspricht etwa 1.000 Kilogramm Getreide. Bei einem modernen Getreideverbrauch pro Kopf von etwa 100 Kilogramm pro Jahr hätte der Inhalt dieser Grubenbatterie mühelos 780 Erwachsene ein Jahr lang ernähren können. Die wenigen in den Gruben verbliebenen Getreidekörner konnten archäobotanisch bestimmt werden und zeigen ein breites Spektrum von Getreidearten, die einst am Ringheiligtum kultiviert wurden: vorwiegend Weizen (Triticum aevestivum/durum/turigidum), jedoch sind auch Gerste (Hordeum vulgare) und Dinkel (Triticum spelta) nachgewiesen.

Doch die Schnurkeramiker in Mitteldeutschland ernährten sich keinesfalls vegetarisch oder gar vegan. In einer jüngst veröffentlichten Studie zu Lipidanalysen an Keramikgefäßen  konnten an den typischen Amphoren und Bechern der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends vor Christus überwiegend Fette von Wiederkäuern (beispielsweise Rind) oder »Nicht-Wiederkäuern« (zum Beispiel Schwein) detektiert werden, was auf eine ausgewogene Ernährung mit tierischen Produkten schließen lässt. Viehzucht und Verarbeitung belegt auch das Tierknochenspektrum aus den Befunden, das größtenteils vom Rind stammt. Gleiches gilt für die nachfolgende Glockenbecherkultur. Hier konnten zehn Trinkgefäße aus ebenso vielen Gräbern in Pömmelte analysiert werden, die allesamt Milchprodukte enthielten. Für die ab etwa 2250 vor Christus einsetzende Aunjetitzer Kultur sind die Fettrückstände variabler, hier scheinen die Tassen für verschiedenste Getränke und Speisen verwendet worden zu sein. Nach Ausweis der ersten Isotopenanalysen an Aunjetitzer Bestattungen in Pömmelte zeichnen sich auch drei Individuen ab, die fleischlose oder fleischarme Kost bevorzugt haben.

»Die herausragenden Ergebnisse, die die jahrelange intensive Untersuchung der Siedlung im Umfeld des Ringheiligtums erbracht hat, belegt einmal mehr die überragende, weit über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinausweisende Bedeutung dieses Ortes«, so Landtagspräsident Dr. Gunnar Schellenberger beim Besuch der Ausgrabung. »Ich danke dem LDA dafür, dass es diese Forschungen auf internationalem Top-Niveau durchführt und die Öffentlichkeit daran teilhaben lässt.« Landesarchäologe Prof. Dr. Harald Meller ergänzt: »Dieses Forschungsprojekt zeigt, was möglich ist, wenn unter perfekten Bedingungen gegraben und beprobt werden kann. Für die naturwissenschaftlichen Analysen kann das LDA auf renommierte Kooperationspartner aus einem europaweiten Forschernetzwerk zurückgreifen.«

Während die naturwissenschaftlichen Analysen und die Ergebnisinterpretation mit verschiedensten Spezialisten weiterlaufen, wird in Pömmelte bis Mitte Juli 2024 weiter ausgegraben. Die diesjährigen Grabungsflächen westlich und östlich des Ringheiligtums betragen »nur« 8.150 Quadratmeter. Gearbeitet wird dabei noch sorgfältiger als der hohe Standard des LDA es ohnehin vorsieht, da die Untersuchung nicht nur der Forschung, sondern auch der Qualifikation des Fachkräftenachwuchses dient. Die Flächen werden seit Mitte April zur Ausbildung der beiden am LDA tätigen, angehenden geprüften Grabungstechniker genutzt.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der interdisziplinären und internationalen Erforschung des Ringheiligtums Pömmelte und seines Umfeldes sollen in Zukunft auch in die Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte einfließen. Sie werden voraussichtlich ab Sommer 2025 im neu gestalteten Ausstellungsraum zur Frühbronzezeit präsentiert.

Silogrube der Schnurkeramik
Eine von 78 Silogruben der Schnurkeramischen Kultur (ungefähr 2550 bis 2250 vor Christus). Das Profil zeigt, dass die noch 1,2 Meter tiefe Grube wohl zweimal als Getreidespeicher genutzt wurde. Foto: A. Leneke / Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Publikation

A. Breu/R. Risch/E. Molina/S. Friederich/H. Meller/F. Knoll

Pottery spilled the beans: Patterns in the processing and consumption of dietary lipids in Central Germany from the Early Neolithic to the Bronze Age

PLoS ONE 19[5]: e0301278. 16.05.2024
DOI: 10.1371/journal.pone.0301278
https://journals.plos.org/plosone/articl...

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