Acheuléen-Populationen überlebten in Indien sehr lange

Bereits vor 1,5 Millionen Jahren tauchte die Acheuléen-Kultur in Afrika auf – 300.000 Jahre später schließlich auch in Indien. Kaum eine Kultur, die Werkzeuge herstellte, währte länger als das Acheuléen, das insbesondere für seine Handbeile und Hackmesser bekannt ist. Neue Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte an einer wichtigen Fundstelle der Acheuleén-Kultur in der Thar-Wüste (Indien) zeigen, dass Populationen des Acheuléen noch bis kurz vor dem Eintreffen von Homo sapiens in Asien vor 177.000 Jahren hier lebten.

Acheuléen Handbeil Thar-Wüste, Indien
Handbeil aus der Thar-Wüste, wo Acheuléen-Populationen noch bis vor wenigstens 177.000 Jahren lebten. Foto © James Blinkhorn

In einer in Scientific Reports veröffentlichten Studie, berichtet ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, über eine relativ junge Besiedlung der Stätte Singi Talav durch Bevölkerungen der Acheuléen-Kultur vor bis zu 177.000 Jahren. Lange galt die Stätte als einer der ältesten Stätten der Acheuléen-Kultur, doch zählt nun wahrscheinlich zu den jüngsten. Die Daten zeigen, dass die Acheuléen-Populationen in der Thar-Wüste weiterhin überlebten, nachdem sie in Ostafrika vor etwa 214.000 Jahren und in Arabien vor 190.000 Jahren verschwunden waren. Dieses Ergebnis unterstützt die Hypothese einer späten Existenz von Acheuléen-Populationen in Indien, wo frühere Forschungen deren Existenz bereits vor 130.000 Jahren nachweisen konnten. In Ostafrika gelten die Hominini-Arten Homo habilis, Homo rudolfensis und Homo ergaster bzw. Homo erectus als Träger der Acheuléen-Kulturen. In Südasien fehlen bisher entsprechende Funde von Hominini-Arten, man somit solch eine »direkte« Verbindung nicht ziehen.

Die ersten Ausgrabungen bei der Stätte von Singi Talav brachten 1980 mehrere Ansammlungen von Steinwerkzeugen zu Tage, die für das Acheuléen typisch sind. Eine genaue Datierung der Fundorte war mit den damaligen Methoden allerdings noch nicht möglich. Die neusten Forschungsprojekte an den Fundstellen »nutzten dabei eine Vielzahl von Methoden, um diese wichtige Stätte erneut zu untersuchen, darunter auch neuere Ansätze, um die Besiedlungszeiträume direkt zu datieren und die Vegetation der Landschaften, die von den Acheuléen-Populationen bewohnt wurden, zu enthüllen«, erklärt Dr. James Blinkhorn vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Hauptautor der Studie. So wurden die entsprechenden Siedlungshorizonte diesmal mittels der Lumineszenzmethoden direkt datiert.

Die Thar-Wüste liegt am westlichen Rand des modernen indischen Sommermonsunsystems. Ihre Bewohnbarkeit für prähistorische Bevölkerungen schwankte jedoch wahrscheinlich über die Zeit signifikant. Die Forschenden untersuchten Mikrofossilien von Pflanzen, auch als Phytolithen bekannt, sowie Merkmale der Bodengeochemie, die Aufschluss über die Ökologie des Standorts zur Zeit der Herstellung der Werkzeuge geben können.

Zum ersten Mal wurde die Ökologie einer Stätte des Acheuléen mithilfe dieser Methoden untersucht, was den weiten Charakter der Landschaften, die die Bevölkerungen besiedelten, aufzeigen konnte“, so Prof. Hema Achyuthan von der Anna University, Chennai, die ebenfalls an den Ausgrabungen beteiligt war. »Die Ergebnisse der beiden Methoden unterstützen sich gegenseitig und enthüllen eine Landschaft, die besonders reich an Gräsern ist, die während der Sommermonsune blühen.«

Mit diesen Daten beleuchtet die Studie die Umweltbedingungen, die es den Acheuléen-Populationen ermöglichten, in der Thar-Wüste bis vor mindestens 177.000 Jahren zu überleben und zu gedeihen. »Das unterstützt Hinweise aus der gesamten Region, die darauf hindeuten, dass Indien Heimat der jüngsten Bevölkerungen war, die Werkzeuge des Acheuléen weltweit nutzten«, fügt Blinkhorn hinzu. »Entscheidend ist, dass das späte Fortbestehen dieser Populationen in Singi Talav und anderswo in Indien direkt vor dem Auftreten unserer eigenen Spezies, des Homo sapiens, liegt.«

Die Thar-Wüste stellte wahrscheinlich eine wichtige ökologische Grenze für den ostwärts expandierenden Homo sapiens dar, der hier zum ersten Mal auf die klimatischen Verhaeltnisse des indischen Monsunsystems traf. Die Ergebnisse lassen jedoch auch vermuten, dass es sich hier ebenfalls um eine demographische und kulturelle Grenze handelte – ein Gebiet, in der Homo sapiens auf andere, eng verwandte, menschliche Populationen traf.

Karte: Lage des Fundorts Singi Talav
Lage von Singi Talav in Relation zu den jüngsten Stätten des Acheuléen weltweit. Karte © James Blinkhorn
Sedimentuntersuchung
Prof. Hema Achyuthan bei der Untersuchung von Sedimentsequenzen von Singi Talav. Foto © James Blinkhorn
Publikation

Blinkhorn, J., Achyuthan, H., Durcan, J. et al.

Constraining the chronology and ecology of Late Acheulean and Middle Palaeolithic occupations at the margins of the monsoon

Sci Rep 11, 19665. 2021
DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-021-98897-7

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