6.000 Jahre altes Feuersteinbergwerk im Mansfelder Land entdeckt

Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt haben bei der Ortschaft Erdeborn zahlreiche Bergwerksschächte freigelegt, in denen schon vor etwa 6.000 Jahren jungsteinzeitliche Bergleute nach Feuerstein gruben - dem wertvollsten Rohstoff ihrer Zeit. Damit reichen die Wurzeln des Bergbaus im Mansfelder Land mehrere tausend Jahre weiter in die Vergangenheit als bisher bekannt.

Neolithischer Feuersteinbergbau
Einer der bis zu 3,5 m tiefen jungsteinzeitlichen Schächte im Profil. Deutlich ist die Abbauweitung an der Schachtsohle zu erkennen. Foto © LDA Sachsen-Anhalt

Die Anlage eines aus mehreren Windkraftanlagen bestehenden Windparks bei Erdeborn im Landkreis Mansfeld-Südharz machte die archäologische Untersuchung der betreffenden Flächen notwendig. Bei den von August bis November durchgeführten Ausgrabungen stießen die Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt auf zahlreiche runde Verfärbungen im Boden mit einem Durchmesser von jeweils ca. 60 - 80 cm. Wie sich im Verlauf der Grabungsarbeiten schnell zeigte, handelt es sich hierbei nicht um die sonst häufig bei archäologischen Ausgrabungen anzutreffenden prähistorischen Siedlungs- oder Vorratsgruben,  sondern um verfüllte Schächte mit einer Tiefe von bis zu 3,5 m. Wo die Schächte auf eine Schicht mit Vorkommen von Silexknollen treffen, enden sie in einer glockenförmigen Weitung.

Damit ist klar, dass es sich bei den Gruben um alte Feuersteinbergwerke handelt, die anhand der gefundenen Keramikscherben grob in das Neolithikum datiert werden können. Ein weiterer deutlicher Hinweis auf jungsteinzeitliche Bergbauaktivität ist in den zahlreichen Feuersteinabsplissen zu sehen, die sich in den Schächten fanden. Offenbar prüften die Bergleute vor 6.000 Jahren direkt vor Ort die Qualität des Materials, bevor sie es mühsam ans Tageslicht beförderten.

Feuerstein war der wichtigste Werkstoff der Vorgeschichte - er ist hart, aber leicht zu spalten. Die Kanten der dabei entstehenden Bruchstücke sind extrem scharf und eignen sich hervorragend zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen. Welche Kunstfertigkeit die Menschen bei der Produktion solcher Geräte entwickelten, läßt sich an den zahlreichen archäologischen Funden ablesen, die heutzutage in den Museen zu besichtigen sind und die dem frühesten Abschnitt der Menschheitsgeschichte - der Steinzeit - ihren Namen gaben.

Feuerstein findet sich meist in Schichten aus der Jura- und Kreidezeit, die in Norddeutschland nur an wenigen Stellen anzutreffen sind. Hier kommt Silex vor allem in den Grundmoränen eiszeitlicher Gletscher vor, die das Material von weit her transportierten, wie etwa in den Schmelzwassersanden der Saale-Eiszeit, die vor 300.000 bis 130.000 Jahren die Landschaft prägte. Nachdem sich im Verlauf von Jahrtausenden weitere Sedimentschichten darüber abgelagert hatten, konnten die Menschen der Jungsteinzeit den Feuerstein nicht oder nur an wenigen Stellen direkt von der Oberfläche auflesen, sondern mussten mühsam in die Tiefe graben, um an das begehrte Material zu gelangen.

Die jungsteinzeitlichen Schächte von Erdeborn sind das älteste Zeugnis bergbaulicher Aktivitäten in Mitteldeutschland. Woanders holten die Menschen aber schon wesentlich früher die wertvollen Silexknollen aus der Erde: So gilt das Feuersteinbergwerk von Nazlet Khater in Oberägypten als das weltweit älteste - es wird auf ein Alter von etwa 35.000 Jahren geschätzt. In Europa wurden bisher etwa 100 prähistorische Feuersteinbergwerke nachgewiesen. Die bedeutendsten davon liegen in den Niederlanden, Belgien, Südengland, Polen und Bayern. Mit der Entdeckung des neolithischen »Bergbaureviers« von Erdeborn wurde jetzt ein weißer Fleck von der Rohstoffkarte der Vorgeschichte getilgt. Die gesamte Ausdehnung des Abbaufeldes konnte bisher noch nicht erfasst werden und auch wie lange der Silexbergbau an dieser Stelle andauerte, ließ sich bisher noch nicht klären. Doch mit den über 80 Schächten, die auf der vergleichsweise kleinen Ausgrabungsfläche bereits freigelegt wurden, handelt es sich um einen nicht unbedeutenden Abbauplatz, der wesentlich zur Versorgung des mitteldeutschen Wirtschaftsraumes während des Neolithikums beigetragen haben dürfte.

Jungsteinzeitliche Bergwerksschächte im Planum
Die Einstiegslöcher der Schächte, deren helle Verfüllung sich im Grabungsplanum deutlich vom gewachsenen Boden abzeichnet, hatten einen Durchmesser von ca. 60 - 80 cm. Foto © LDA Sachsen-Anhalt
Silexknolle
Stahl der Steinzeit: Silexknollen wie diese zählten vor 6.000 Jahren zu den wichtigsten Rohmaterialien für die Herstellung von Werkzeug und Waffen. Foto © LDA Sachsen-Anhalt
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