5.000 Jahre Geschichte an der Porta Westfalica
„Die Fundstelle hat sich zu einer der wichtigsten Ausgrabungen unserer LWL-Archäologie für Westfalen entwickelt. Denn aufgrund der topographischen Rahmenbedingungen war diese Stelle ein günstiger Ort, der in den vergangenen 5.000 Jahren immer wieder von Menschen aufgesucht worden ist“, bilanzierte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale bei der Vorstellung der Grabungsergebnisse Anfang dieser Woche in Porta Westfalica. Zwar habe sich die Zahl und das Spektrum der Funde, die dem römischen Marschlager zuzuweisen seien, weiter erhöht, jedoch hätten sich die Schwerpunkte der Grabung in diesem Jahr deutlich in die Urgeschichte und das frühe Mittelalter verlagert. Besonders interessant seien die Gräber aus den beiden vorchristlichen Jahrtausenden sowie dem frühen Mittelalter.
Von der 2,4 Hektar großen Fläche des Baugebiets „Auf der Lake“ hat die LWL-Archäologie für Westfalen seit Sommer 2008 bis jetzt 13.500 Quadratmeter untersucht, davon 9.600 Quadratmeter in diesem Jahr. Die Ausgrabungen werden im kommenden Jahr fortgesetzt.
„Dankbar sind wir für die Unterstützung, die wir von allen an dem Projekt Beteiligten erfahren, angefangen von der Stadt über den Erschließungsträger, das heißt die Sparkasse Porta Westfalica, den Bauherren und den Investoren bis zum Förderverein und insbesondere danken wir auch dem Amt proArbeit beim Kreis Minden-Lübbecke, ohne deren Vermittlung von Arbeitskräften unsere Untersuchungen hier nicht möglich wären. Das ist eine echte Win-Win-Situation für alle“, freut sich Rüschoff-Thale über die Zusammenarbeit.
Das römische Marschlager
Dem römischen Marschlager aus der Zeit der Militäroffensiven zwischen 12 v. und 16 n. Chr. weisen die LWL-Archäologen inzwischen über 30 Münzen zu. Sie sind in der Zeit vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis spätestens 16 n. Chr. geprägt worden. Auch die Zahl der Backöfen hat sich erhöht, von vier auf elf. Die Radiokarbondatierung von Holzkohle erbrachte ein Alter zwischen 200 v. und 10 n. Chr. Dies bestätigt die Interpretation der LWL-Archäologen als Feldbacköfen der Legionäre.
Neu im Fundspektrum sind drei Trinkbecher und ein Vorratsgefäß für Getreide aus Keramik, eine mit einem Schlangenkopf verzierte Schließe eines Kettenpanzers sowie drei Zeltheringe. Auch ein Lanzenschuh von einem Pilum, der eisernen Verstärkung des unteren Teils des römischen Wurfsspeers, und ein Geschossbolzen gehören eindeutig in diesen militärischen Zusammenhang.
„Im Vergleich zu anderen römischen Marschlagern in Westfalen sind hier inzwischen viele Funde zu Tage getreten“, bewertet Dr. Bettina Tremmel, LWL-Expertin für römische Archäologie das Material insgesamt. Nicht gefunden haben die Archäologen dagegen Spuren der Umwehrung des Lagers. „Innerhalb des Baugebietes ist nicht mehr mit einem Graben oder einer anderen Spur der Umwehrung zu rechnen. So wie die Grabungsflächen bis jetzt im Baugebiet verteilt lagen, hätten die Ausgräber darauf stoßen müssen. Wir befinden wir uns hier sicher innerhalb des römischen Marschlagers“, erklärt Tremmel.
Neu: zwei Gräberfelder
Den größten Anteil an den diesjährigen Arbeitsergebnissen haben zwei Gräberfelder. Das jüngere Gräberfeld wurde im 7. Jahrhundert angelegt. Bislang haben die LWL-Archäologen acht Körpergräber dokumentiert. Die Körper selbst sind weitgehend vergangen, doch haben sich in einigen Fällen Beigaben erhalten. So können die Forscher zwei der Toten als Krieger bezeichnen, denn in ihren Särgen entdeckten die Ausgräber je einen Sax (Schwert). Einer Frau waren dagegen zwei Keramikgefäße, ein Messer und zwei Fibeln (Gewandspangen) ins Grab gelegt worden.
Das andere Gräberfeld gehört in das 2. bis 1. vorchristliche Jahrtausend. Rund 120 Gräber haben die LWL-Archäologen bisher untersucht. Es handelt sich dabei um sogenannte Brandgräber: Die Verstorbenen wurden von ihren Hinterbliebenen verbrannt und in Behältnissen aus Ton oder etwa Leder oder Tuch beigesetzt. 80 Gräber mit Urnen und 40 Gräber ohne Urnen, sogenannte Leichenbrandnester, haben die Ausgräber dokumentiert. Die Urnen haben sie als Ganzes geborgen und noch nicht geleert. Deshalb steht noch nicht fest, wie viele der Toten ein kleines Gefäß und andere Gegenstände als Beigabe erhalten haben.
Neu: Funde aus allen Epochen
Die ältesten Funde sind zwei Scherben eines Tongefäßes. Wegen seiner Machart und Verzierung glauben die Experten, dass es frühen Bauern gehörten, die hier zwischen 3.600 und 2.800 v. Chr. gesiedelt haben.
Aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammt ein Gefäß von Germanen. Frühmittelalterliche Funde sind, außer den Gräbern, Trachtbestandteile wie eine verzierte Riemenzunge (Beschlag) aus Buntmetall von einem Gürtel des 7. Jahrhunderts und vier Emailscheibenfibeln (mit Email verzierte scheibenförmige Gewandspangen) aus dem 9. oder 10. Jahrhundert.
Zur frühen Neuzeit gehören fünf Silbermünzen des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts. Daneben weisen einige hundert Musketenkugeln aus Blei auf ein kriegerisches Ereignis in der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618-1648) hin. Der jüngste Eingriff in den Boden schließlich, auf dessen Spuren die Ausgräber immer wieder stoßen, ist eine Telefonleitung aus der Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg.
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